27.01.2023
Überlieferungen und Geschichten in den heiligen Schriften
Die Arche Noah- Legende
Gott erzählt uns im Koran und auch in den beiden vorangegangenen heiligen Schriften von Menschen und Gesellschaften, die lange vor uns lebten, aber dennoch die Gesellschaften nach ihnen prägten und ihren Fußabdruck sogar in den Heiligen Schriften verewigten.
Die wohl älteste nachweisbare Legende ist im Gilgamesch-Epos überliefert. So ist uns die Erzählung von Noah oder Nuh und der Sintflut oder die von der Rettung der Israeliten aus der Sklaverei des Pharaos unter der Führung von Moses durch die Schriften bekannt.
Die Geschichte der Sintflut hat schon immer die Fantasie der Menschen zu allen Zeiträumen bewegt und daraus viele Legenden entstehen lassen.
Oft habe ich darüber nachgedacht, was wirklich geschehen war und wie sie den Weg in die Alte Bibel genommen haben könnten. Nun habe ich vor einiger Zeit eine Dokumentation in Arte über die große Sintflut gesehen und das war für mich echt der Hammer. Von ihr möchte ich euch erzählen, denn solche Geschehen und die daraus entstehende Moral durchziehen auch den ganzen Koran. Gott will ja damit etwas zum Ausdruck bringen.
Angefangen hat alles mit einer ganz speziellen ausgegrabenen Keilschrifttafel, wahrscheinlich eine Übungstafel eines jüdischen Schülers aus dem alten Babylonien im heutigen Irak. Sie enthielt eine Dokumentation von großer Bedeutung, die viel Licht in die Vergangenheit der dortigen Zivilisation und ihren Überlieferungen von besonderen Geschehen brachte.
Die kleine Tafel, nicht größer als ein normales Handy, berichtet uns die Geschichte von einer großen Sintflut zur Zeit der Sumerer vor ungefähr 5500 Jahren. D.h. ihre Geschichte war auch schon für die Babylonier rund 1000 Jahre alt und sie ähnelt der Geschichte von Noah bzw. Nuh, aber auf der Tafel heißt der Mann Atrachisis. Das Besondere darin, sie gibt auch eine genaue Anleitung für den Bau einer riesengroßen runden Arche, die heute die Hälfte eines Fußballfeldes eingenommen hätte. Nach diesen Maßen, aber sehr verkleinert auf 16 m Durchmesser hat man eine vor einigen Jahren nachgebaut.
Es gibt viele Bilder mit einer Arche, aber sie sind oft den mittelalterlichen Bauten nachgebildet. Aber diese Maße waren für ein rundes Schiff gedacht. Bis ins letzte Jh. baute man sie noch in dieser Art. Dementsprechend hat sich die verkleinerte Form der runden Arche und ihr Material bis heute erhalten. Vereinzelt findet man noch solche Archen, Guttas genannt.
Aber zurück zum Inhalt der Keilschrift: Einige Götter wollen die ungehorsamen Menschen mit einer großen Flut vernichten, aber einer von ihnen beauftragt Atrachisis mit dem Bau einer Arche und gibt ihm die Erlaubnis, auf ihr seine Familie und paarweise Tiere aller Art mitzunehmen, um sie vor der kommenden großen Flut zu bewahren. Sie enthält sogar eine präzise Bauanleitung: der Rumpf aus Seilen geflochten, Spanten, bzw. Holzleisten für den Rahmen, die gebogen werden müssen, gebündeltes Schilf für dicke Matten, Bitumen zum Abdichten. Bäume und Schilfrohr waren ja vorhanden.
Bis heute treten die Flüsse Tigris und Euphrat zweimal im Jahr oft heftig über ihre Ufer. Außerdem müssen wir bedenken, dass das damalige Ufer des Persischen Golfes bis an die alten Städte wie Ur reichte, also viel größer als heute war. Jetzt befindet sich dort eine trockene Wüste. Es gab dementsprechend viele Hochwasser, die alles Land versinken ließ. Aber gab es wirklich solche großen Fluten wie beschrieben? Süßwassermuscheln als Anzeiger kann man noch in der heutigen Wüste finden. Sie wie auch Bohrungen belegen, dass diese Gegend damals eine Sumpf- oder Seenlandschaft war.
Nun steht aber noch die große Frage: wie kommen diese alten Geschichten in das Alte Testament der Juden? Wie entstand die Geschichte von Noah bzw. Nuh? Dazu gehen wir in die Geschichte von Israel hinein, genauer in die Leidenszeit der Judäer von Jerusalem. 578 vor Chr. wird Jerusalem vom babylonischen König angegriffen und zerstört, wie auch ihr Tempel. Eine große Schar Judäer, wahrscheinlich die Oberschicht der Bevölkerung, muss ihr Land verlassen und wird ins Exil nach Babylon geschickt, bekannt als die Babylonische Gefangenschaft. Dort muss es ihnen aber wahrscheinlich gar nicht mal so schlecht ergangen sein. Man nimmt an, dass sie sich in die neue Gesellschaft integriert haben. So fand man schon vor einer ganzen Weile die genannte Schülertafel eines Jungen mit judäischem Namen, die aber erst vor einigen Jahren übersetzt wurde. Sie enthielt eine Abschrift in Keilschrift. Das bedeutet, dass die Exilanten, besonders aber ihre Jungen Unterricht im Schreiben und Lesen und in die Geschichte der Babylonier und ihrer Götter bekamen. Einige waren nachweislich als neue Beamte in der Nähe des Thronsitzes tätig. Dadurch wurden sie ziemlich vertraut mit der für sie neuen Kultur.
Als die Juden 537 vor Chr. wieder in ihre Heimat zurückkehren durften, brachten sie nicht nur die Mythen und Geschichten der Babylonier mit. Ihre Gefangenschaft dauerte zwar nur 41 Jahre, aber sie schienen sich den Babyloniern und ihrer Kultur ziemlich nahe gekommen zu sein, sie assimilierten sie zum Teil, passten ihre Geschichten in ihre eigenen an. In der Exilzeit wurden auch die Schriften der Juden niedergeschrieben, um sie ohne ihren zerstörten Tempel in Jerusalem nicht zu vergessen.
Bald fanden die überlieferten Geschichten von Mesopotamien auch Eingang in ihre heiligen Schriften bis hin zum Koran wie z. B. diese babylonische Geschichte auf einer Tontafel, die sich heute in der Berliner Tontafelsammlung befindet: eine Geschichte eines babylonischen Königs. Hier ist seine Geschichte: Seine Mutter setzt ihn als kleines Kind auf dem Fluss aus, um sein Leben zu retten. Sie flechtet aus Schilf eine kleine Arche, legt das Baby hinein und überlässt beide den Fluten des Flusses.
Ihr kennt die Geschichte von Moses in Ägypten, der im Rahmen einer vom Pharao angeordneten Tötung aller männlichen Kinder der Israeliten in einem Korb ausgesetzt und von der Tochter des Pharaos gefunden wurde und ihn später als ihren Sohn angenommen hat. Auch sie fand im Alten Testament ihren Platz, aber hier mit Moses in einem runden Korb, um sein Leben zu retten und dann zum Führer seines Volkes wurde, wie wahrscheinlich auch der besagte babylonischen Königssohn.
Viele solcher Texte, die wir heute als das ‚Alte Testament‘ kennen, fanden so Eingang in das hebräische Schrifttum. Sie wurden dem jüdischen Volk so vertraut, mit eigenen Namen versehen in ihre eigene Geschichte integriert. Im Mittelpunkt standen nun nicht die vielen Götter, sondern ihr eigener Gott. So fügten sie einfach aus mehreren mesopotamischen Göttern einen einzigen Gott Jahwe zusammen.
Was sagt nun die Geschichte von der Sintflut aus: Im Alten Testament beschließt Jahwe, die Menschen in einer Flut ertrinken zu lassen, darauf ändert Er Seine Meinung, als Er Noah erblickt, entscheidet Er, Noah und einige seiner treuesten Freunde und von der Tierwelt jeweils ein Paar zu retten.
Im Koran wird Nuh als ein Prophet Gottes dargestellt, der die Menschen vor einer Katastrophe warnt, besser gesagt: vor einer gewaltigen Strafe, wenn sie sich nicht zum Positiven ändern. Nur Nuhs Familie, die wenigen Gläubigen und je ein Paar der Tiere überstehen die Flut. In allen Geschichten trägt nur ein einzelner Mensch das Schicksal aller Menschen.
Aber der Text auf den Tontafeln wurden ja nicht nur als Übung der Keilschrift benutzt, er sollte ja etwas aussagen. Aber zuerst einen Vers aus dem 1.Buch Mose 6,5-8: „Aber der HERR sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe. Aber Noah fand Gnade vor dem HERRN.“
Das heißt: Gott sieht die Menschen als böse an und will sein Schaffen auf der Erde rückgängig machen. Da sieht Er Noah und ändert Seine Meinung. Mein erster Gedanke war: Ein Gott, der seine Meinung ändert, Zweifel oder Reue an seinen Handlungen zeigt, ist das noch mein Gott? Aber vielleicht sahen die damaligen Juden so ihren Gott.
War Er nun ein grausamer oder ein lernender, sich revidierender Schöpfer? Der Theologe Thomas Naumann sagt darüber: ‚Als aber die Arche allein auf den Wellen schaukelt, ändert Gott seinen Sinn. Wenn er nämlich immer auf die Bosheit im Menschen als Gerechter reagieren würde, würde er am Ende seine eigene Schöpfung zerstören. Deshalb ändert er während der Sintflut seine Haltung. Man könnte sagen: Gott kehrt um und lernt, dass es sich lohnt, die Schöpfung auch dann zu erhalten, dauerhaft, obwohl die Menschen zum Bösen fähig sind und bleiben.
Wir haben hier eine dramatische Wende in Gott: Aus Zorn und Strafe, aus Gründen der Gerechtigkeit wird Mitleid und Erbarmen – ein Erbarmen, das der ganzen Erde und allem Leben gilt. Das ist gewissermaßen die Gnadentheologie, die die Sintflutgeschichte entwickelt.‘
Ich denke, bei den Babyloniern waren es Götter und nur einer zeigte Erbarmen. Haben die Juden, als sie diese Geschichte in ihre eigene hineinfügten, die unterschiedlichen Beziehungen und Verhaltensweisen dieser Götter zu den Menschen auf einen Gott reduziert?
Nun aus dem Koran 2 kleine Verse. In der 71. Sure „Nuh“, Vers 13, ruft Nuh als Prophet sein Volk auf: Was ist mit euch, dass ihr nicht wollt, dass Allah geehrt wird?“ Und in der 11. Sure „Hud“, Vers 43: „Er (Nuh) sagte: Es gibt heute keinen Retter vor Allahs Befehl. Rettung gibt es nur für jene, derer Er sich erbarmt.“
Im Koran lässt Gott immer bis zum Schluss den Menschen eine Wahl. Gott mahnt immer wieder: Wollt ihr nicht nachdenken? Solche Worte habe ich im A.T. höchstwahrscheinlich übersehen.
Ich glaube, Gottes Bild hat sich in den Menschen einfach in den Jahrtausenden verändert. Dennoch, dieses unterschiedliche Bild war für mich überraschend und äbefremdlich. Im Koran hat Gott den Menschen die Wahl gelassen, sich Nuh anzuschließen, aber sie verspotteten ihn nur. So hatten sie sich also selbst ins Aus gestellt.
Im 1. Buch Mose sagt Gott zu Noah von vornherein, dass sich die Menschen nicht ändern lassen. Es ist also eine andere Situation. Dort hält Gott alle Menschen bis auf Ausnahmen für böse und will sie vernichten, dann aber lenkt er ein und schafft Bedingungen für einen Neuanfang. Erst da kommt Seine Barmherzigkeit zum Tragen, während im Islam Gottes Allbarmherzigkeit für jeden von Anfang an da ist. Gott gibt eben die Hoffnung nicht auf.
Mein Fazit: Gottes Barmherzigkeit hat dennoch für alle Menschen einen guten Stellenwert. Und vor allen Dingen müssen wir die Geschichte zeitgemäß hinterfragen und sie nicht einfach Wort für Wort übernehmen.
Manaar