Sure Ar-Ra’d / Der Donner

17.02.2023

Sure Ar-Ra’d / Der Donner

Die letzten Predigten von mir behandelten die Thematik Gott und Sein Schaffen und Seine Beziehungen zum Kosmos und darin zu den Menschen. 

   Gott betont durch Seine Beschreibung Seines Schaffens, dass Er mehr ist als die gesamte Götter- bzw. der Götzenwelt mit ihren vielfältigen Darstellungen des damaligen Arabien. Wahrscheinlich spricht Er deshalb vorwiegend in Mekka die Vielgläubigen bzw. die neuen Muslime an. 

   Die Sure „Ar-Ra’d – Der Donner“, von der ich heute sprechen möchte, soll kurz vor der Hidschra, der Auswanderung verkündet worden sein. Sie handelt vom Monotheismus und der Allmacht Gottes in der Natur des ganzen Kosmos. Insbesondere diese Sure führt darum für den Menschen Beweise Seiner Macht an, z. B. durch den Hinweis auf die Bahnen der Sonne und Mond, auf die Stabilität der Erde durch Berge mit ihren Wurzeln, auf das Wachsen und Vergehen von Pflanzen und Tieren, wie auch auf das Entstehen und Untergehen ganzer menschlicher Völker.   

    Schon die 2. und 3. Verse sagen einiges darüber aus: „Allah ist es, Der die Himmel, die ihr sehen könnt, ohne Stützpfeiler emporgehoben hat. Dann herrschte Er über Sein Reich. Und Er machte die Sonne und den Mond dienstbar; jedes Gestirn läuft seine Bahn in einer vorgezeichneten Frist. Er bestimmt alle Dinge. Er macht die Zeichen deutlich, auf dass ihr an die Begegnung mit eurem Herrn fest glauben möget. Und Er ist es, Der die Erde ausdehnte und feststehende Berge und Flüsse in ihr gründete. Und Er schuf auf ihr Früchte aller Art, ein Paar von jeder Art. Er lässt die Nacht den Tag bedecken. Wahrlich, hierin liegen Zeichen für ein nachdenkendes Volk.“ Ich denke, das Wort ‚Sein Reich‘ bedeutet hier speziell unsere Erde. Aber könnte es auch ein Hinweis durch die Mehrzahl, dass Gott damit nicht nur die einzelnen Schichten des Himmels über die Erde meint, sondern den ganzen Kosmos?

  Für viele klingt es komisch, wenn von ‚die Himmel‘ gesprochen wird. Aber wir wissen heute, dass es verschiedene Schichten der Atmosphäre gibt.

    Diese beiden Verse bedeuten für mich so viel und das sollten wir immer bedenken: Ohne Ihn und Sein Schaffen gäbe es gäbe es keine Sonne oder Mond, kein Himmel über uns, keine Erde und letzten Endes auch uns nicht. 

    So stellt Gott immer wieder fest: „Darin liegen Zeichen für Leute, die nachdenken.“ Oder wie eben „Zeichen für ein nachdenkendes Volk.“ Mir fiel gerade in dieser Sure auf, dass Gott nach jeder Darstellung seines Schaffens den Menschen anspricht, als wenn Er darauf hinweisen will, dass Er bei Seinem Schaffen uns immer im Blick gehabt hat. Eigentlich ist der ganze Koran durchdrungen von dieser Fragestellung an die Menschen. 

   So stellt Er im Vers 16 dem Wissenden den Unwissenden gegenüber: „Sprich: ‚Wer ist der Herr der Himmel und der Erde?‘ Sprich: ‚Allah!‘ Sprich: ‚Habt ihr euch Helfer außer Ihm genommen, die sich selbst weder nützen noch schaden können?‘ Sprich: ‚Können der Blinde und der Sehende gleich sein? Oder kann die Finsternis dem Licht gleich sein? Oder stellen sie Allah Teilhaber zur Seite, die eine Schöpfung wie die Seine erschaffen haben, so dass beide Schöpfungen ihnen gleichartig erscheinen? Sprich: ‘Allah ist der Schöpfer aller Dinge und Er ist der Einzige, der Allmächtige.‘“ Erst ein massives Anfragen und dann gleich darauf selbst eine machtvolle Antwort: Die Wahrheit Seiner Allmacht! Diese Feststellung ist eine der Hauptthemen dieser Sure.

    Wer sind die Helfer, die den Menschen weder helfen noch nützlich sind? Gott meint damit die Statuen und Bildnisse der Vielgläubigen, die masseweise in der Kaaba, in Seinem Haus rumstanden. Und Er fragt die Menschen, ob diese ebenso eine gute Schöpfung erschaffen und ob diese sie schützen und verpflegen können, wenn sie sie anbeten.  

   Wer sind denn heute nun die Blinden und wer die Sehenden? Die Blinden, das sind solche Menschen, die Scharlatanen hinterherlaufen oder Heilige Schriften in ihrem Sinne verfälschen und sich als besorgte Mitmenschen ausgeben, um den Menschen das Geld aus den Taschen zu ziehen oder um sie ihnen gefügig zu machen. In diesem Zusammenhang fordert Gott die Menschen auf, ihren Verstand zu benutzen, so wie die Sehenden, die Nachdenkenden.

     Gott kann auch ungeduldig sein, wenn Er im Vers 19 feststellt: „Ist denn etwa einer, der erkennt, dass die von Deinem Herrn herabgesandte Offenbarung die Wahrheit ist, gleich einem, der blind ist? Nur diejenigen, die Verstand haben, lassen sich mahnen.“ Blindheit ist hier nicht die Ursache, es ist keine Sehschwäche, sondern ein fehlendes, unwilliges Lernen und Verstehen, es ist eine mangelnde Einsicht, Verständnislosigkeit und Unvernunft, Unzulänglichkeit und Verschlossenheit des Herzens. Glauben und Rechtschaffenheit mit gutem Handeln stehen gegenüber von Unglauben und schlechtem Handeln. Ich glaube, dass Gott meint mit diesen Versen, so verschieden beides im Diesseits sind, so verschieden wird es auch im Jenseits werden. Und diejenigen, die ein gerechtes Leben führen und ein verständiges Herz besitzen, werden sich mahnen lassen und nachdenken. Diese Gegenüberstellung von Nachdenken und sich verschließen ist ein weiterer Hauptpunkt.

   Im 29. Vers heißt es: „Denjenigen, die glauben und Rechtes tun, wird Seligkeit zuteil, und ihnen gehört die schönste Heimstatt.“  In dieser Sure wird festgestellt, dass Gott die Erde ausgebreitet hat und Berge erschuf. Das Ausbreiten bedeutet für mich: Er hat sie geformt wie z. B. ein Ausbreiten von Land: Ganze Kontinentalplatten wandern und geben der Erde eine neue Gestalt, ein neues Leben. Dementsprechend kann Er den Menschen nach ihrem Tod ebenfalls eine neue Wohnstatt, ein neues Leben geben. Seligkeit in der schönsten Heimstatt! Damit ist das Paradies gemeint. Diese Erkenntnis muss für die Vielgläubigen in Mekka ungeheuerlich vorgekommen sein, vor allem, weil es davor eine Prüfung jedes einzelnen Menschen verlangt.

    Seine Allmacht, dazu gehören die Zeichen in den fortwährenden Gesetzmäßigkeiten der Natur auf der Erde und im ganzen Universum, die Gesetzmäßigkeiten des Lebens, Geburt und Sterben, Gegensätze, wie hell und dunkel, nachdenken und nicht nachdenken in einer sichtbaren Welt. Gott bringt es auf den Punkt: Wenn es eine sichtbare Welt gibt, warum soll es dann nicht auch eine unsichtbare Welt geben, die Welt nach dem Tod? Er fragt demnach: Warum sollten Menschen über etwas spotten, wenn sie es nicht sehen oder fühlen? Wie wirklich das Jenseits ist, wissen wir nicht. Aber wir wissen schon, dass alles, das ganz Universum, aus kleinste Elementarteilchen besteht, auch wir Menschen. Nach einem Vergehen entsteht wieder etwas Neues aus diesen winzigen Bausteinen. So kann es auch ein Jenseits geben. Das ist Allmacht, nicht nur etwas zu schaffen, sondern es auch umzuwandeln! 

    Nicht nur, dass Gott den Menschen Sein Schaffen zu ihrem Nutzen aufzeigt, Er weist auch darauf hin, dass selbst die Naturgewalten für ihren Herrn einstehen und Ihn deshalb in den Versen 12 und 13 preisen: „Er ist es, Der euch den Blitz in Furcht und Hoffnung sehen lässt; und Er lässt die schweren Wolken aufsteigen. Und der Donner preist Seine Herrlichkeit, und genauso lobpreisen die Engel Ihn in Ehrfurcht. 

     Einen dritten Punkt sehe ich im Akzeptieren von Propheten. So sagt der Prophet Muhammad mit dem 30. Vers zu den Leuten in Mekka: „Er ist mein Herr. Es gibt keine Gottheit außer Ihm. Auf Ihn vertraue ich und zu Ihm ist die Heimkehr.“ Gott lässt darum Muhammad seinen Zuhörern sagen: „Alles liegt in Allahs Hand. Wollen diejenigen, die gläubig sind, nicht wahrhaben, dass Allah, wenn Er gewollt hätte, die gesamte Menschheit rechtleiten können?“ 

   Aber wir wissen aus der Geschichte, dass nur wenige Menschen in Mekka auf die Mahnungen des Propheten gehört haben. So ruft Muhammad im 36. Vers aus: „Mir wurde befohlen, Gott zu dienen, und nicht, Ihm Götter zur Seite zu stellen. Zu Ihm rufe ich und zu Ihm werde ich heimkehren.“ Auch als die meisten Mekkaner ihn als Leugner hinstellen, mahnt Gott ihn, dass er nur als Verkünder einer Botschaft gesandt worden sei, nicht mehr, aber auch nicht weniger.  

     Zusammengefasst: Die Sure „Der Donner“ umfasst die Allmacht Gottes im Entstehen und Vergehen aller Prozesse im Kosmos, so auch das Leben und Sterben der Menschen, dem Diesseits und Jenseits, ob die Menschen an Ihn glauben oder nicht.

     Gott hat Überblick im Werden und Vergehen, auch im winzig Kleinem wie das Entstehen und Vergehen von Elementarteilchen wie auch großer Sterne. 

      Er hat Einblick in meine Gedankenwelt im Kleinen wie auch in einer lebendigen Welt, in der ebenso auch Religionen einem Wandel unterliegen. Stephen Hawking sagte einmal:‘ Nichts kann nicht für immer existieren.‘ Und ich sage: ‚Alles unterliegt einem Wandel.‘ Dennoch glaube ich, auch in der Zukunft wird Glaube an eine Allmacht Hand in Hand mit der Wissenschaft beieinanderstehen, wie es schon seit Entstehen des Islams etliche Wissenschaftler und große Denker bewiesen haben, wie Al-Kindi, Ibn Sina, Ibn Rushd, wie der tiefgläubige Katholik Galileo Galilei, der Domherr und Astronom Kopernikus oder der belgische Priester Georges Lemaître – Begründer der Urknall-Theorie und wie viele andere. 

     In diesem Kontext erfolgt im Koran der Aufruf, die Menschen sollten ihren Verstand benutzen, um Gottes Schöpfung wertzuschätzen und seine Botschaft zu begreifen: Die Menschen sollten doch erkennen, dass der Koran diejenigen, die den Islam annehmen, bzw. sich Gottes Willen beugen, menschliche Erfüllung im Diesseits und wie im Jenseits verheißt. Diejenigen, die Gottes Werte bzw. gesellschaftliche Moralwerte hingegen verneinen, hätten nichts als die Strafen der Hölle bzw. die Verachtung der Menschen zu erwarten.

      Gott hat neben der Natur den Menschen erschaffen mit dem Ziel, das Universum, die Gesetze der eigenen inneren Konstitution und den geschichtlichen Prozess zu erforschen, also Gottes Allmacht zu erkennen und dann sein Wissen in den Dienst Gottes zu stellen. Ich glaube, wir sehen den Dienst an Gott viel zu engstirnig. Es bedeutet für mich Verantwortung für die Erde und den Menschen darauf zu tragen und in Zukunft für den ganzen Kosmos. Das ist Gottes Schöpfungsabsicht, Ihn zu erkennen und anzuerkennen.

   Manaar

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