Zu den aktuellen Ereignissen in Chemnitz erklärt die Geschäftsführerin der Ibn Rushd-Goethe Moschee, Seyran Ateş:
Die Ereignisse in Chemnitz bewegen mich seit Tagen sehr. Es passiert genau das, wovor ich seit Jahren warne: Die Gesellschaft driftet auseinander. Es bilden sich verschiedenste Gruppen, die Fronten verhärten sich, die Emotionen kochen hoch. Uns fehlt eine gemeinsame Basis, ein gemeinsames Verständnis von Zusammenleben und Zugehörigkeit. Diese Tage zeigt sich sehr deutlich, was wir alle seit langer Zeit ahnen und vorhersagen: Unsere Wertegemeinschaft ist dabei, auseinander zu brechen.
Der Tod des jungen Mannes ist schrecklich und ich möchte – auch im Namen der Moscheegemeinde – den Angehörigen und Freunden Beileid und Beistand aussprechen. Nun liegt es an uns als Zivilgesellschaft und Demokrat*innen, was mit diesem gewaltsamen Tod verbunden bleiben wird: eine abscheuliche Instrumentalisierung für fremdenfeindlichen Hass und Hetze oder ein Weckruf, der eine mutige und entschiedene Bewegung für eine offene Gesellschaft zur Folge hat. Es liegt an uns, ob wir Extremisten und Hetzern das Feld überlassen oder ob wir den Rücken grade machen und ihnen laut und wahrnehmbar Einhalt gebieten.
Dafür braucht es Mut. Es braucht den Mut, Probleme beim Namen zu benennen. Es braucht den Mut, miteinander zu reden, auch wenn man sich fremd geworden ist. Es braucht den Mut, für die eigenen Werte einzutreten und dieses selbstbewusst zu verteidigen. Unsere Grundwerte sind keine Verhandlungsmasse. Sie sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Die Zeit, in der wir das Mutigsein anderen überlassen haben, ist eindeutig vorbei. Die Moscheegemeinde der Ibn Rushd-Goethe Moschee steht an der Seite all derer, die die Ereignisse in Chemnitz zum Start einem neuen Mut-Bewegung werden lassen wollen.