Schönheit in der Schöpfung Gottes

23.10.2020

Schönheit in der Schöpfung Gottes

Ganz am Anfang möchte ich euch eine kurze Geschichte erzählen:

Es war gleich nach der Wende und wir begannen sogleich die Berge in Österreich zu erobern. Ich war vorher bestimmt nicht über 800 Höhenmeter gekommen, aber jetzt begeisterte ich mich für Bergwanderungen, je höher, desto schöner und interessanter. Ich hatte bestimmt schon immer eine gute Vorstellung von Schönheit. Aber hoch oben auf den Spitzen der Berge erlebte ich sie wirklich und vollkommen anders, tiefer. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, als wenn sich meine Brust erweitert. Für einen Moment fühlte ich die unsagbare Schwere des Himmels, es drückte mich regelrecht zu Boden. Gleichzeitig spürte ich mich dem Himmel so nah und frei, emporgehoben – und irgendwie auch eine Präsenz, eine unmittelbare Nähe von irgendetwas, was ich nicht begriff. Ich war höchst verwirrt.

Ich denke, über solche schönen Momente hat bestimmt jeder etwas zu berichten.

Ich glaubte damals nicht an Gott, aber dieses Zusammenspiel der Gefühle von Verwirrung, Freiheit, Glück, Schönheit, von irgendeiner Nähe ist immer noch in meiner Erinnerung. Manchmal lache ich heute über mich selbst, denn ich weiß jetzt, dass Gott nicht nur da oben ist.

Wenn ich heute im Koran die Stellen lese, in denen Gott über die Berge, den Himmel, über die Naturgesetze spricht, bin ich wieder hoch oben auf den Bergen und erlebe diese Erhabenheit wieder und dennoch anders. Aber erst Jahre später habe ich dieses Gefühl neu einordnen können, als ich die ersten Verse der 91. Sure „asch-Schams, die Sonne“, gelesen habe: „Betrachte die Sonne und ihre strahlende Helle, und den Mond, wie er die Sonne widerspiegelt! Betrachte den Tag, wie er die Welt offenbart, und die Nacht, wie sie sie finster verhüllt. Betrachte den Himmel und seine wundersame Erbauung, und die Erde und all ihre Weite! Betrachte das menschliche Selbst und wie es in Übereinstimmung mit dem geformt ist, was es sein soll, und wie es erfüllt ist von moralischen Schwächen wie auch Bewusstsein von Gott! Einen glückseligen Zustand wird fürwahr erlangen, wer dieses Selbst an Reinheit wachsen lässt, und wahrhaft verloren ist, wer es in Finsternis vergräbt.“ … Vor allem begriff ich, Gott und die Naturgesetze und natürlich die Schönheit von allem, was mich umgibt, sind eine Einheit und damit konnte ich Gott in mein Herz reinlassen.

Auf der einen Seite betont dieser Vers die Gegensätzlichkeit der ganzen Schöpfung, physisch wie auch spirituell und stellt sie der Einheit und Einzigartigkeit ihres Schöpfers gegenüber, gut und böse, hässlich und schön, physische und spirituelle Helligkeit und Finsternis im Herzen. Er umreißt all diese wunderbaren Eigenschaften, die verantwortlich sind für die Harmonie und Zusammenhalt des ganzen Universums und mittendrin der Einklang der Erde – und damit auch wir. Harmonie und Zusammenhang kann nur Schönheit hervorbringen. Die Bezugnahme auf die Erde, die im Arabischen wörtlich lautet „das, was sie ausgebreitet hat“, könnte ebenfalls eine Anspielung sein auf die für die Schönheit und Vielfalt ihrer unendlichen Weite verantwortlichen Eigenschaften der Schöpfung.

Noch deutlicher wird Gott dem Menschen gegenüber, als Er in Sure 16: 13 feststellt: „Und all die Schönheit von vielen Farben, die Er für euch auf Erden erschaffen hat: darin, siehe, ist eine Botschaft für Leute, die sie sich zu Herzen nehmen.“

Es bedeutet für mich das stete Bewusstsein für die Schönheit und Vollkommenheit all dessen, was mich umgibt und was es mir erst ermöglicht, diese Schönheit und Einheit auch wahrzunehmen.

Im Rückblick hat seitdem Schönheit einen anderen, neuen Wert bekommen. Es bedeutet für mich ein Öffnen und Weiten der Seele, ein neuer Blickwinkel und Betrachtungsweise auf die Natur. Damals fühlte ich mich im Einklang mit dem, was mich umgab, die tiefe Stille der Berge, den weiten Blick in den Horizont, der leichte Dunst, ähnlich einem riesigen Meer. Das alles hat eine neue Bedeutung bekommen.

Es gibt keinen Flecken auf der Erde, der keine Anzeichen von einer speziellen Schönheit aufzuweisen hat. Wer einmal einer Wüste einen Besuch abgestattet hat, in der selbst dort noch Überlebenskünstler existieren, wird sich noch lange Zeit an ihre ganz besondere Schönheit erinnern – und Wichtigkeit. Der Sand der Sahara ernährt den Boden des Amazonasgebietes. Ein Zeichen, das etwas Negatives, Schwieriges für den Menschen dennoch eine wichtige positive Rolle besitzt.

In der Sure 29:46 heißt es: „Und streitet mit den Leuten der Schrift auf die schönste Weise nur, außer mit denen, die Übles tun!“

Ein Streitgespräch mit Christen und Juden und das in schönster Weise! Das geht nur, wenn sie nicht ignoriert oder gar verachtet werden und gilt heute mehr denn je.

Mit den Worten von Dr. Milad Karimi von der Universität Münster: Wenn sich der Islam als eine Religion begreift, die die überlieferte abrahamitische Tradition neu formuliert und sich zum Judentum und Christentum kritisch zuordnet. Der Koran selbst belegt, dass er mit den Theologien der anderen monotheistischen Religionen eng verwoben ist. So überrascht es nicht, dass diese Adressaten im Koran direkt angesprochen, gewürdigt, gelobt und kritisiert werden. Dabei geht es an keiner Stelle um eine Pauschalverurteilung, sondern stets um eine konkrete Kritik. Also ein Meinungsaustausch in ruhiger, höflicher, kritischer, also in bester und schönster Weise.

Die Sure 16: 125 unterstreicht nochmals in einem Aufruf an den Propheten ein Streiten in gütigster, also schönster Weise mit den Anhängern der vorherigen Religionen: „Rufe du zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung auf und streite mit ihnen auf die beste Art…“

Aber warum muss Gott immer wieder das Schöne, das Gute das Beständige anmahnen? Ist es so, weil die Menschen ohne Nachzudenken die andere Seite wählen für ihren Vorteil, Nutzen oder Gewinn? Aber Gott hat ihnen ja die Wahl, die Selbstbestimmung überlassen. Also appelliert Gott immer wieder in Seinen Schriften an das Gute und Schöne im Menschen.

Gott ist schön und liebt die Schönheit.“ Dieser Ausspruch wird dem Propheten Mohammed zugeschrieben und bietet sich geradezu an, wenn es um das Thema Kunst und Islam geht. Der Begriff „Islamische Kunst“ ruft gewiss unterschiedliche Assoziationen hervor. Ich glaube, die meisten Muslime werden die zentrale Stellung der Kalligrafie als „Königin der Künste“ anführen, sie verkörpert zugleich Form und Inhalt. Die hohe Stellung der Kalligrafie und die von ihr ausgehenden Faszination ihrer Schönheit werden nicht nur in der islamischen Welt in einer altarabischer Redensart verdeutlicht: „Die Reinheit der Schrift ist die Reinheit der Seele.“

Ebenso kann man auf die vielfältige Schönheit in der Architektur der islamischen Welt verweisen, in sich birgt sie die unterschiedlichsten Kulturen und Sprachen.

Auch Gottes Schönheit überträgt sich ebenfalls auf den Koran. Seine Sprache, sein Inhalt, seine Hinweise zielen auf ein ästhetisches und ethisches Verhalten des Menschen hin und auch auf die Schönheit des Universums.

Und dennoch denke ich mit Schaudern an die Zerstörung der Buddha-Statuen in Bamiyanim Jahr 2001 durch Taliban-Milizen. Sie gehörten zum Weltkulturerbe der Menschheit. Mit der Zerstörung der Statuen sollten die Insignien der nicht-islamischen bzw. der nichtislamischen Kulturtradition Afghanistans getilgt werden, welch ein Verlust für die Kunst und Geschichte Afghanistans. Sowohl die Bedeutung der Ästhetik als auch das Nichtvorhandensein eines expliziten Bilderverbotes im Koran zeigen, dass keine islamische Legitimation, kein Beleg für die Zerstörung von Kulturgut anderer Völker vorhanden ist.

Was bedeutet Schönheit oder schön: in erster Linie ist es ein abstrakter, positiver Begriff, der stark mit Aspekten und Wertvorstellungen menschlichen Daseins verbunden ist. Als schön bezeichnet man einen besonders angenehmen, ästhetischen Eindruck, ein schöner Körper, ein schönes, klangvolles Musikstück, besondere Erlebnisse, sinnliche Eindrücke.

Anders ausgedrückt: Schönheit ist immer ein Aspekt der subjektiven ästhetischen Wahrnehmung, Ethik, und auch Wissenschaft – also das Schöne, das Gute, das Wahre; Ästhetik für innere Ausgewogenheit, Harmonie und Gleichgewicht; Ethik als gutes rücksichtsvolles und hilfreiches und friedliches Benehmen, das Wahre in der Natur, Frieden und voranschreitende Berechenbarkeit und Erkenntnis. Das alles erfasst der Mensch als etwas Schönes.

Schönheit definiert sich also auch als Urteil des Verstandes. Platon sagte schon im Altertum: „Schönheit hat ein passendes Verhältnis zum Göttlichen und sorgt beim Menschen für Freude und Offenheit. Durch die Liebe zu den schönen Körpern übersteigt er die Ebene des Körperlichen und bevorzugt dann die ‚Schönheit in den Seelen‘. Schöne Gespräche wurden ihm wichtiger als körperliche Schönheit. Dann entdeckte er das Schöne in ‚Tätigkeiten, Sitten und Gesetzen‘ und erkannte, dass ‚alles Schöne miteinander verwandt‘ ist. Die höchste Stufe ist dann die Bewunderung der allgemeinen Idee des Schönen, die allem Schönen zugrunde liegt.“ Er meinte damit, die Begegnung mit Schönheit verleiht der Seele Flügel.

Für Aristoteles bedeutete Schönheit das Maß und Ordnung und Proportion in der Form der Dinge.

Jahrhunderte später verglich Leibnitz wiederum Schönheit mit Anmut und Würde.

Herder beschreibt in einem Märchen die Schönheit als mütterliche Liebe. Er lässt die Mutter sagen: „Mein Kind ist die Natur. Aus Schönheit entspringt Liebe, Liebe erschafft und genießt die Schönheit. Sie glänzt in allem, was hold ist, am reinsten in dir, wenn du weise und gut handelst.“

Schönheit spielt, wie schon gesagt, ebenso ein den Naturgesetzen eine wichtige Rolle. So wird sie in der Mathematik und verschiedenen anderen Wissenschaftszweigen als Hinweis für die Wahrheit einer Theorie oder einer Aussage angesehen.

Wir alle haben eine Vorstellung, was schön ist. Oder wir glauben es zumindest zu wissen, dass es etwas Grundlegendes und dennoch Einfaches ist! Und so grundlegend, dass es unserem Intellekt nicht einmal zugänglich ist, dass wir es nur intuitiv begreifen können. Vielleicht ist Schönheit ein biologisches Programm, das jeder hat und das man auch relativ unwillkürlich sieht: ein schönes Gesicht, eine schöne Landschaft, ein schönes Bild.

Ein Mensch kann sich darin einfügen oder zerstören, aber er kann ohne Harmonie nicht leben. Genauso kann sich ein Mensch überall oder nicht überall wohlfühlen. Seine Befindlichkeit ist dabei das Zünglein einer Waageschale. Genauso bedeutet ein Gewitter Zerstörung, aber auch bereinigend und damit gut und schön. Das Gute und Schöne, auf der anderen Seite das Böse bedingen sich also gegenseitig.

Was ich damals über die Ehrfurcht vor der Schönheit der Landschaft dachte, kann nur bedeuten: Der, der die Schönheit erschaffen hat, muss auch schön sein.

Und irgendwie habe ich erst durch das Nachdenken über dieses Thema so richtig begriffen: Gott hat mir das Malen geschenkt. Und diese Schönheit versuche ich beim Malen einzufangen, für mich begreifbar zu machen, Sein Erschaffen begreifbar zu machen und ich bin mir bewusst, Gott dadurch sehr nahe zu sein und dafür bedanke ich mich.

Manaar

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