Herausragende Frauen im Islam

Herausragende Frauen im Islam

Bismillahir/Rahmanir/Rahim
Im Namen Allâhs, des Allerbarmers, des Barmherzigen

Al salam alykum wa rahmatullah wa barakatuh –
Der Friede sei mit euch, die Barmherzigkeit Allâhs und Sein Segen!

Sure al-‚Alaq (Das Sich Anklammernde/die Keimzelle), Aya 1-5:

  1. Lies! Im Namen deines Herrn, Der erschuf –
  2. Erschuf den Menschen aus einem sich Anklammernden.
  3. Lies! Denn dein Herr ist gütig,
  4. Der durch die (Schreib-)Feder gelehrt hat –
  5. Den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste.

Ein Ausspruch des Propheten Muhammad (Gott segne ihn und schenke ihm Heil), lautete: „Das Streben nach Wissen ist Pflicht für muslimische Männer und muslimische Frauen.“ Aber wenn wir in unseren Bücherregalen nach einem islamischen Buch sehen, finden wir unter anderem Hadith-Werke von Bukhari und Muslim, einige Werke von Ghazali, Ibn Arabi, etliche Werke über die Sira des Propheten, aber alles von Männern geschrieben. Wenn wir von den Sahabia sprechen, dann fallen uns ganz schnell Namen ein wie: Abu Bakr, Umar, Uthman, Ali, alles Männernamen. Fast zaghaft sagen wir dann noch Khadidscha, `Aischa Fatima, – als Ehefrauen und Tochter. Wo sind die Frauen, die die islamische Welt mitgeprägt haben, die Sahabiat?

Ja, es gab sie! Ihre Namen und ihre Bedeutungen sind nur in den vergangenen Jahrhunderten bis auf einige wenige vergessen worden, besonders in den letzten beiden Jahrhunderten, in denen die Männerherrschaft dominierte und die Frauen fast namenlos blieben.

Gott als der Schöpfer erschuf Männer und Frauen als ebenbürtige Wesen aus einer Seele. „O ihr Menschen, fürchtet euren Herrn, Der euch erschaffen hat aus einem einzigen Wesen; und aus ihm erschuf Er seine Gattin, und aus den beiden ließ Er viele Männer und Frauen entstehen. (…) . Wahrlich, Allah wacht über euch.“ (4:1)

Begeben wir uns also auf den Weg in die Geschichte, erkunden wir, wie Frauen nach Wissen strebten und als bedeutende Gelehrtinnen wirkten. Ich möchte sie heute anlässlich des gestrigen Internationalen Frauentages ehren.

Laut Bukhari sagte der Prophet- salla Allahu 3alayhi wa salam): „Wer auch immer mit der Absicht, nach Wissen zu streben, einem Weg folgt, dem wird Allâh den Weg ins Paradies erleichtern.“

Der Qur’an und die Hadithe (die überlieferten Aussagen des Propheten) ermutigten Frauen wie Männer, nach Wissen zu suchen. Auch die Frauen haben wesentliche Beiträge zur Erziehung und auf vielen anderen Gebieten geleistet. Die erste und wichtigste unter ihnen war ‘Aischa, eine der Ehefrauen des Propheten und die Frau mit dem meisten Wissen in den ersten Jahrzehnten des Beginns der islamischen Zeit. ‘Aischa verfügte über einen außerordentlichen Verstand und ein hervorragendes Gedächtnis. Sie gilt unter den sunnitischen Muslimen als eine der verlässlichsten Quellen und als erste Lehrerin für Hadithe. Sie hatte Wissen vom Koran, den Anteilen des Erbrechts, den erlaubten und verbotenen Dingen, Dichtung, Literatur, Arabische Geschichte, Abstammungslehre und Medizin im Allgemeinen.

Die erste Madrassa (Schule) für Frauen mit einer Lehrerin wurde im Haus von ‘Aisha gegründet. Auch Männer konnten an ihrem Unterricht teilnehmen.

Sowohl Männer als auch Frauen nahmen also an ihrem Unterricht teil.

Sie kannte den gesamten Koran auswendig und war Zeugin vieler Ereignisse der frühen Geschichte des Islam, die sie weitergab. Dank ihrer Überlieferungen wissen wir viele Details aus dem privaten sowie öffentlichem Leben des Propheten, es gibt über 2000 Ahadith (Aussprüche, Anweisungen und Handlungen des Propheten.

Als der Prophet starb, war `Aisha war erst 18 Jahre alt, galt jedoch bereits als religiöse Gelehrtin. Über die nächsten vier Jahrzehnte bis zu ihrem Tod, wurde sie von Muslimen konsultiert wegen ihres beträchtlichen Wissens und Verständnisses des Qur’an, der islamischen Rechtsprechung (Fiqh), der islamischen Lehren und Traditionen (Sunnah). Dank ihr gab es also schon eine Reihe von weiblichen Gelehrtinnen.

Zum Beispiel war ‘Aischas Schülerin und enge Freundin, Amra bint ‘Abdurahman eine herausragende Gelehrte, deren Lehrmeinungen diejenigen anderer ‘Ulama‘- Gelehrte überragten. Sie gilt als erste Quelle bei drei Rechtsfragen: das Verbot der Öffnung von Gräbern, die Untersagung des Verkaufs unreifer Früchte sowie die Auswirkungen von beschädigter Ernten beim Verkauf landwirtschaftlicher Produkte. Das waren damals wichtige Punkte.

In den Überlieferungsketten des Ahadith gehörten auch Frauen, wenn auch nicht viele.

Dennoch haben sie sich große Verdienste im Tradierungswesen der Ḥadiṯhwissenschaft erworben.

z.B. die Hadithgelehrte Shuhda bint Abi Nasr Ahmad al-Ibari (gest. 1178) wird als eine der besten Gelehrten ihrer Zeit bezeichnet. Sie unterrichtete unter anderem die Hadithwerke von Bukhari und hatte eine große Anzahl von Schülern in Bagdad. Sie war unter den Namen “al-Katiba” (die Schreiberin) aufgrund ihrer Kalligrafiekünste bekannt. Shuhda wird bei Ibn Khallikan folgendermaßen beschrieben: „Shuhda gehörte zu der Art Gelehrter, die auch über eine sehr gute Handschrift verfügten. Viele Leute “hörten” und lernten von ihr. Sie hatte deshalb eine große Anhängerschaft und ihr Publikum bestand aus Jungen und Alten. Sie wurde sehr bekannt und ihre Berühmtheit sprach sich weit herum.”

Der Gelehrte al-ʿAsqalānī (1449) beschreibt in seinem biographischen Werk für das vierzehnte Jahrhundert die Biographie von 170 Gelehrtinnen, unter anderem auch von Zaynab bint al- Kamāl (1339), die in Damaskus unter der mamlukischen Dynastie lebte und in ihren späteren Lebensjahren eine große Anerkennung als Lehrerin in der Ḥadithwissenschaft genoss. Aufgrund ihrer zahlreichen Lehrdiplome (ijazas), wurde ihr der Titel ‚musnidat ad-dunya‘ zugeschrieben.

Nafisa bint al-Hasan (762-824) ist die Großenkelin des Propheten und die Tochter von al-Hasan ibn ‘Ali Sie kannte den Koran auswendig und kannte sich auch im Kommentieren des Korans (Tafsir) aus und auch in rechtlichen Fragen. Sie wuchs in Medina auf und zog später, nach ihrer Eheschließung mit Ishaq ibn Ja’far, nach Fustat , dem Vorläufer von Kairo. Sie hielt öffentlichen Unterricht, an dem auch Imam ash-Shafi’i und verschiedene zu der Zeit berühmten Gelehrten teilnahmen. In seinem letzten Willen verfügte ash-Shafi’i, dass seine Totenbahre auf dem Weg zum Friedhof an ihrem Haus innehielt. Er war Begründer einer der vier – heute bestehenden – Rechtsschulen des Islam. In Kairo habe ich ihre Moschee besucht, sie wird noch heute in Ägypten als Volksheilige des Islam verehrt.

Aisha bint ‘Ali (1259-1336) war eine hanbalitische Gelehrte aus Kairo. Sie lernte zunächst von ihrem Großvater und erhielt später auch Lehrlizenzen (Ijaza) von anderen Gelehrten aus Syrien und Ägypten. Außer dem Koran studierte sie Kalligrafie, Geschichte, Sira, Poesie und Recht. Unter ihren Studenten waren Ibn Hajar al-Asqalani, der sie für ihre ausgezeichnete Schrift rühmte und al-Maqrizi, der sie für ihren Verstand, ihr Gedächtnis und ihren Intellekt hoch lobte.

Eine wichtige Rechtsgelehrtin war Fatima bint Abbas b. Abu l-Fath (1314) dar, die selbst von dem berühmten und widersprüchlichen Theologen Ibn Taimiya aufgrund ihres Intellekts bewundert wurde. Ferner beschreibt sie der bekannte Gelehrte Ibn Rağab als die ‚Einzigartigste ihrer Zeit‘.

Eine der ersten bedeutenden Frauengestalten im Tasawwuf war Rabi’a Al-Adawijja (713-801). Tasawwuf ist eine Sammelbezeichnung für Strömungen, die asketische Tendenzen und eine spirituelle Orientierung aufweisen, die oft mit dem Wort Mystik bezeichnet wird. Im umfassenderen Sinn bedeutet Tasawwuf die Vervollkommnung von Iman (Glaube an Gott -Seine Engel, Seine Bücher, Seine Propheten, und an den Letzten Tag, und an die Göttliche Vorsehung) und Islam (Bezeugung, dass es keine Gottheit gibt außer Gott), die durch Ihsan (Zustand, als ob du Gott sähest, und wenn du Ihn auch nicht siehst, so sieht Er doch dich) ­erlangt wird. Rabi’as Ausgangspunkt war weder die Furcht vor der Hölle, noch der Wunsch nach dem ­Paradies, sondern nur die Liebe. „Allah ist Allah“, sagte sie, „und dafür liebe ich Allah (…) nicht wegen irgendwelcher Gaben, sondern um Seiner Selbst willen.“ Es gibt einige wundervolle Geschichten über Rabi’a und ihren Zeitgenossen, den berühmten Gelehrten und Schaikh Al-Hasan Al-Basri. Er sagte über sie: „Ich verbrachte eine ganze Nacht und einen Tag mit Rabi’a – über den Weg und die Wahrheit sprechend – und es kam mir niemals in den Sinn, dass ich ein Mann war, noch kam es ihr in den Sinn, dass sie eine Frau war; und am Ende, als ich sie anschaute, sah ich mich selbst als spirituell bankrott und Rabi’a als wahrhaft aufrichtig.“

Die islamische Geschichte zeigt, dass die frühen muslimischen Gesellschaften weibliche Gelehrten als religiöse Autoritäten respektierten und ihnen Qualifikation und die Kompetenz der Unterweisungen zusprachen. Ihre Unterweisungen wurden in Häusern und Moscheen durchgeführt, in Bereichen wie Geschichte, Logik, Literatur, Ethik und Philosophie. In staatliche oder offizielle Ämter wurden sie allerdings weniger eingebunden.

Die vielen starken Frauen in der islamischen Geschichte sind vergessen. Hiermit wollte ich sie und die vielen Namenlosen ehren.

Wenn ich an heutige großartige Frauenpersönlichkeiten denke, dann steht das pakistanische Mädchen Malala an erster Stelle.

Mit 11 Jahren schrieb sie heimlich einen Blog bei der BBC. Sie informierte darüber, was in ihrer Region geschah, seit die Taliban an die Macht gekommen waren. Ein Journalist interviewte Malala im Fernsehen. Dadurch wurde sie bekannt. Mit ihren Ansichten über das Schulrecht für Mädchen machte Malala sich Feinde in ihrer Heimat. Malala wurde im Oktober 2012 in ihrer Heimatstadt Mingora im Schulbus von zwei Taliban-Mitgliedern in Kopf und Schulter geschossen. Sie überlebte den Angriff knapp, wurde anschließend in einem Krankenhaus in Birmingham behandelt. Die Familie hatte Angst, nach Pakistan zurückzukehren, nachdem die Taliban Drohungen ausgesprochen hatten. Sie setzte sich vor allem für das Recht von Mädchen auf Bildung ein. 2014 wurde ihr der Friedensnobelpreis zuerkannt.

Anfangs waren die Pakistaner im ganzen Land schockiert und beteten für ihre Heilung, die Politiker im Lande lamentierten laut gegen ihre brutalen Attentäter. Doch diese erste Solidarität mit der damals 15-Jährigen verblasste schnell, während sich das Land gleichzeitig radikalisierte.

Inzwischen ist Malala für viele Pakistaner nicht mehr eine der ihren, der Unrecht geschah, und die unterstützt und beschützt werden muss, sondern eine Verräterin, eine Abtrünnige, eine, die Schmutz und Schande über die Heimat bringt. Die einen nennen sie Agentin des Westens, die anderen halten sie für eine politische Schachfigur, die dafür ausgenutzt wird, Pakistan und den gesamten Islam in Misskredit zu bringen.

 Fatima Grimm war eine der ersten Konvertitin in Deutschland. Sie war eine unabhängige deutsche Muslimin, gebildet, wortgewandt und mitfühlend, voller Verständnis für das Unverständnis der Anderen, nie belehrend, nie abweisend. Sie  nahm die Menschen, wie sie sie waren, war nie dogmatisch, sondern begegnete jedem freundlich und wertschätzend. Sie wurde meine beste muslimische Freundin, beriet mich beim Schreiben eines meiner Bücher. Ihr wahrscheinlich größtes Vermächtnis ist die Übersetzung des Korans mit ausführlichen Kommentaren. Dies ist die erste deutsche Übersetzung, die gemeinsam von sunnitischen und schiitischen Muslimen erarbeitet und herausgegeben wurde. Dieses Werk gehört zu einem neuen Kapitel der deutschen Koranrezeption. Fatima Grimm hat den deutschen Muslimen Wissen und Worte zu ihren religiösen Schriften gegeben. Am 6. Mai 2013 ist Fatima Grimm im Alter von 78 Jahren gestorben. Sie ist ein großer Verlust für die deutsche muslimische Gemeinschaft – Von Gott kommen wir und zu ihm kehren wir zurück. Möge Er mit ihr zufrieden sein.

Halima Krausen – ein Vorbild für deutsche Muslime

Sie ist eine, die es in Deutschland sogar in religiöse Ämter schaffte, sie zählt weltweit zu den wenigen Imaminnen, sie ist Imamin an der Moschee zur Schönen Aussicht in Hamburg. In Hamburg betreut sie die deutsche Gemeinde der Moschee an der Außenalster. Halima Krausen wollte sich keiner Konfession oder Gruppe zuordnen lassen. Ihr war vor allem das eigenständige Denken wichtig.

Sie sagte, dass die Vernunft eine Gabe Gottes sei. Sie ermögliche es dem Menschen, Zusammenhänge zu erkennen, sich selber einzuordnen in ein Gesamtes und Schlussfolgerungen zu ziehen, vor allem, wenn es um ethisches Verhalten geht. Und damit ist nicht einfach der Verstand gemeint, sondern unter Vernunft versteht sie auch etwas Ganzheitliches.

       Von ihrem Vorgänger, Imam Mehdi Razvi, hat sie auch Ihre Lehrbefugnis erhalten. Es war ein großartiger Schritt, als sie nach seinem Tod 2013 seine Nachfolge antrat – als erste Imamin Deutschlands.

Seit 2014 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg und der Akademie der Weltreligionen tätig.

Es gibt heute viele muslimische Frauen in Deutschland, die still und ohne Aufsehen erregend für einen liberalen Islam arbeiten. Die beiden Genannten habe ich stellvertretend für sie ausgewählt.

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