Die Kopftuchverordnung & was der Koran dazu sagt

23.09.2022

Die Kopftuchverordnung & was der Koran dazu sagt

Die Überschrift könnte auch heißen: Die Würde der Frau oder die Gleichheit der Frau genauso wie die Unwürdigkeit oder die Ungleichheit der Frau. In vielen Ländern gibt sie noch – die Ungleichheit und Würdelosigkeit. Das Schlimmste dabei ist, dass man sie kaum noch registriert oder wahrnimmt wie z.B. die Verhüllungspraxis der Frauen in Afghanistan. Aber das, was gerade jetzt im Iran passierte, kann man kaum fassen, um das Gräuel zu beschreiben: der sinnlose Tod einer iranischen Frau und bei Protesten noch weitere Opfer!

   Ein ganzes Land ist in Aufruhr, weil eine Frau, die ihr Haupt ohne richtig sitzendes Kopftuch erhoben hat und deswegen sterben musste. Ob gewollt oder nicht gewollt, ist egal, Fakt ist, sie ist an den Folgen von körperlichen Züchtigungen gestorben. 

    Es ist mir unbegreiflich, wegen eines Tuches sterben zu müssen, während ich, auch eine Muslimin hier ohne Kopftuch stehen kann, weil ich es so will. 

    Was war der Anlass all dieser Unruhen? Eine junge Frau, die 22-jährige Mahsa Amini war vor einigen Tagen in einem Krankenhaus in Teheran gestorben. Sie war zuvor wegen des Vorwurfs, gegen die strengen Hidschab-Vorschriften verstoßen zu haben, von der Sittenpolizei festgenommen worden. In sozialen Medien zirkulieren die Aussagen ihrer Familie, Mahsa Amini sei von der Polizei dort geschlagen worden.

    In den Medien habe ich gelesen, dass die Sittenpolizei die Kleiderkontrollen verschärft hat, seit er ultra-konservative Ebrahim Raisi das Amt des Präsidenten im Iran übernommen hat. Da aber anfangs wohl alles ruhig blieb, nahmen viele Frauen das zum Anlass, um ihre Tücher zu lockern und sich freier zu bewegen. Nun aber, seit einigen Wochen verschärfte sich die Situation. 

   Der Polizeichef meinte dazu nur: „Es ist gesetzlich nun mal unsere Aufgabe, Frauen an die Kleidervorschriften zu erinnern. Was sie zu Hause tragen ist ihre Sache, aber nicht in der Öffentlichkeit. Der Frau hätten sie jedoch kein Haar gekrümmt.“

     Nach Bekanntwerden ihres ungeklärten Todes kam es im ganzen Land zu Protesten. Die iranische Polizei setzte Tränengas ein, um Ansammlungen von bis zu tausend Menschen aufzulösen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete. Die Demonstrierenden blockierten demnach den Verkehr, warfen Steine auf Sicherheitskräfte, zündeten Polizeifahrzeuge und Mülltonnen an. Viele Demonstrantinnen nahmen als Zeichen des Protests ihr Kopftuch ab und verbrannten es, andere schnitten sich die Haare ab, wie auf Videos im Internet zu sehen war. 

  Auch die Medien hatten ihre Schlagzeilen, einige regierungskritische Zeitungen zeigen Mahsa im Krankenbett, bewusstlos, an Maschinen angeschlossen. Eine Zeitung fragt sogar ironisch, ob die 22-Jährige nun auf den rechten Weg gebracht worden sei. Eine Teheraner Studentin sagte in einem Reuters-Interview: „Meiner Meinung nach sollten sie die Kopftuch-Pflicht ganz abschaffen. Jeder, der mag, kann ein Kopftuch tragen, aber jeder, der das nicht will, muss es auch nicht tragen.“ 

   Die in New York lebende Journalistin und Frauenrechtlerin Masih Alinejad – eine gebürtige Iranerin – hat der Tod Aminis tief erschüttert. Sie meinte: „Jeden Tag, wenn ich rausgehe, mache ich mich so zurecht, wie ich sein möchte. Aber in meinem Heimatland schauen Frauen in den Spiegel und machen sich so zurecht, wie die Regierung es von ihnen fordert.“

    Die Webseite von ‚Qantara.de‘ schreibt: „So hat der gewaltsame Tod von Mahsa etwas erreicht, was 43 Jahre lang niemand schaffen konnte: Er vereint fast das gesamte iranische Volk in Trauer und gegen das menschenverachtende Regime. Wie lange diese Einigkeit anhält und ob sie der Beginn einer neuen Phase in der iranischen Geschichte ist, wird die Zukunft zeigen.“

   Mittlerweile geht der Protest nicht nur um den Tod der Iranerin, es geht um den Kopftuchzwang, gegen die Sittenpolizei, gegen die konservativ-religiöse Führung. Sie hoffen, dass diese Rebellion Veränderungen anstoßen wie z.B. eine Lockerung der harten Vorschriften.

     Und was sagen unsere Medien dazu? Bisher überschlagen sich jedenfalls ihre Statements kaum. Und die Muslime in Deutschland? Wie gehen sie damit um?! 

Und wir? Wie halten wir es mit dem Kopftuch? Ich kann nur dieser einen Studentin aus Teheran beipflichten. In unserer Moschee gilt auch: Jede, die mag, kann ein Kopftuch tragen, aber jede, die das nicht will, muss es auch nicht tragen. 

       Vor einiger Zeit habe ich mich schon mit dem Thema: „Freiheit des Menschen“ beschäftigt, darin gehört auch die „Freiheit der Frau“. In der 4.Sure „An-Nisa´-Die Frauen“ steht im 1. Vers: „O ihr Menschen, fürchtet euren Herrn, Der euch erschaffen hat aus einem einzigen Wesen; und aus ihm erschuf Er seine Gattin …“ Aus einem einzigen Wesen! Das entspricht für mich gleichwertige Wesen, Männer und Frauen stehen auf eine Stufe.  Kein Wort, dass eine Frau irgendetwas bedecken muss oder ungleich behandelt werden darf.

    Da fällt mir gleich ein weiterer passender Vers der „Sure Al-Imran“ Vers 195 ein, in dem Gott den Gläubigen antwortet: „Wahrlich, Ich lasse kein Werk des Wirkenden unter euch nicht verlorengehen, sei es Mann oder Frau. Die einen von euch sind von den anderen“.  Muhammad Assad deutet den letzten Satz: ‚Die einen von euch sind von den anderen‘ so: ‚Ihr alle gehört ein und demselben Menschengeschlecht an und seid daher einander gleich.‘ Ich glaube, ich könnte es nicht besser ausdrücken.

  Erinnert euch an den Beginn des oft zitierten Verses aus der Sure Al-Baqara: „Die Menschen waren eine einzige Gemeinschaft…“ Eine einzige Gemeinschaft – das bedeutet Gleichheit und Akzeptanz eines jeden, auch jeder Frau.. 

       Nirgends steht im Koran, dass die Frauen ihre Haare zu verhüllen haben. Archaische, althergebrachte Sitten und Gebräuche, die immer noch in verschiedenen Ländern gelten, hat man dazu benutzt, um das Gebot zur Verhüllung zu instrumentieren. Dazu musste der 59.Vers der 33.Sure „Al-Ahzab“ herhalten. Darin heißt es: „O Prophet, sprich zu deinen Frauen und deinen Töchtern und zu den Frauen der Gläubigen, sie sollen ihre Übergewänder reichlich über sich ziehen. So ist es am ehesten zu gewährleisten sein, dass sie dann erkannt und nicht belästigt werden.“

    Ist das nicht beschämend für den Propheten gewesen, diese Empfehlung von Gott zu hören?  Eine peinliche und demütige Zurechtweisung an die Adresse der Männer! Frauenbelästigung also schon damals! Und einfach um des Frieden willens sollten die Frauen ihre Tücher höherziehen?

      Kein klares Gebot im Koran lässt sich zur Bescheinigung der Formen von Verschleierungen benutzen, wie sie noch heute besonders im arabisch-persischen Kulturkreis als politische Ordnung praktiziert wird. Die Kopfbedeckung galt als Zeichen für eine soziale Stellung und hat nichts mit dem Koran zu tun, es ist lediglich ein uraltes Relikt aus vorislamischer persischer Zeit. Frauen ohne Kopfbedeckung gehörten damals zum Status der Unfreien, zur Unterscheidung der freien Frauen. 

    Auch das Verhüllungsgebot in Sure 24 „An-Nur, das Licht“ bezieht sich nicht auf das Haupt, sondern auf die Bedeckung der Brust und lässt sich nicht auf die Bedeckung des Kopfes ableiten. Hier sind die beiden Verse 30 und 31 der Sure und was sie zu sagen haben: „Und sprich zu den gläubigen Männern, dass sie ihre Blicke zu Boden senken und ihre Keuschheit wahren sollen. Das ist reiner für sie. Wahrlich, Allah ist dessen, was sie tun, recht wohl kundig. Und sprich zu den gläubigen Frauen, dass sie ihre Blicke zu Boden senken und ihre Keuschheit wahren und ihren Schmuck nicht zur Schau tragen sollen, bis auf das, was davon sichtbar sein darf, und dass sie ihre Tücher um ihre Kleidungsausschnitte schlagen und ihren Schmuck vor niemand anderem enthüllen sollen als vor ihren Gatten oder Vätern oder den Vätern ihrer Gatten…“   Der Ausdruck … ‚bis auf das, was sichtbar sein darf‘, ist eine selbständige Entscheidung einer landläufigen Sitte. Da steht nichts von der Bedeckung der Frau oder Bedeckung der Haare. Es geht lediglich um das Bedecken ihres Ausschnittes, um ihr Geschmeide nicht öffentlich zur Schau zu stellen. Es ist nur Ausdruck einer überkommenden Kultur, an der bis heute festgehalten bzw. regelrecht festgeklammert wird. 

    Wenn Gott gewollt hätte, dass die Frauen sich unbedingt bedecken sollten, dann hätte Er es den Frauen auch so explizit mitgeteilt.

    Wir leben in einer Zeit, in der Maschinen auf dem Mars operieren, in dem die Wissenschaftler fast bis in den Anfang allem, was Gott erschaffen hat, versuchen zu ergründen. Sollen da noch Frauen als zweitrangig beurteilt werden, denen man am liebsten vorschreiben möchte, wie sie sich anzuziehen haben. Nein! Sie haben den gleichen Anteil am Werden der Menschheit und das, was sie heute darstellt, denn ohne Frau auch kein Mann!

     Es sollte die Freiheit der Frau sein, ihre Stellung in unserer heutigen Menschheit einzunehmen und wie sie sich im Rahmen der Tradition kleiden möchte, ohne Druck und Vorschriften.

Manaar

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