Abraham – Stammvater im Glauben der drei monotheistischen

16.09.2022

Abraham – Stammvater im Glauben der drei monotheistischen

Eigentlich wollte ich mich für eine Predigt mit der Hanifenzeit des Propheten Muhammad beschäftigen, stieß dabei aber immer wieder auf Abraham und zwangsläufig auf die “Religion Abrahams“, auf den „Stammvater der drei monotheistischen Religionen“. Aber um die vielen Berichte über die Juden und Christen im Koran zu verstehen, musste ich mich zumindest in der Beziehung mit Abraham mit ihnen auseinandersetzen. Nun sind daraus zwei 2 Predigten geworden. Zum religionsgeschichtliches Verstehen haben mir unter anderem die Schriften von Bertram Schmitz geholfen. 

    Der Koran bezieht sich immer wieder auf die jüdische und christliche Religion. Mehr noch: Beide Religionen werden in die Debatten und Kontroverse sowie Auseinandersetzungen des Koran mit einbezogen. Man muss davon ausgehen, dass zur damaligen Zeit eine Vorkenntnis der biblischen Themen und Geschichten vorhanden war. Allein schon durch die Karawanen- und Pilgerreisen kamen die Mekkaner und deren Umkreis mit Juden und Christen und deren Erzählungen in Berührung. Für uns heute ist es unter anderem wichtig, wie die biblischen Geschichten und Riten der beiden Religionen damals verstanden wurden und sich auf die Araber auswirkten.

      All das bildete später den Kontext zu einer neuen, noch ‚einheimischen‘ Religion. Besonders die 2. Sure „Al – Baqara“ zeichnet sich durch ihre Darstellung dieser biblischen Geschichten aus. Bertram Schmitz bezeichnet sie so: ‚Sie können als Spiegel des damals stattfindenden Prozesses der Entstehung des Islams und seiner Abgrenzung von anderen Religionen interpretiert werden. Der Islam beruft sich auf die Religion Israels, wie sie eigentlich in Christentum und Judentum hätte verwirklicht werden sollen.‘

     Wenn man an Abraham denkt, erinnert man sich als Erstes daran, dass er beinahe seinen Sohn geschlachtet hätte, weil eine innere Stimme ihm das befohlen hatte. Abraham, der seinen Sohn liebt, so wie er auch Gott als den alleinigen Gott liebt, entscheidet sich in seiner schlimmsten Minute für einen prüfenden Gott! Die Geschichte erzählt davon, dass Gott Abrahams Standfestigkeit und Ergebenheit geprüft hat, um damit ein Zeichen zu geben, dass Er keinerlei Opfer bedarf. Es ist nicht die Opferung eines Lebens, es bedeutet vielmehr die Abschaffung des Menschenopfers.  Das Schicksal des einen Kindes stellt das Schicksal der ganzen Menschheit dar. Und der vor dem bildlichen Abgrund stehende Vater steht für die Entscheidung des Menschen, der eben auch manchmal die richtige Hilfe benötigt und wenn es nur ein Engel wäre.

    Wer war nun Abraham, der gleich von drei Religionen als ihren Glaubensvater betrachtet wird? Er steht für eine tiefe Verwandtschaft in den Glaubensbekenntnissen von Juden, Christen und Muslimen an den Einen Gott, den Schöpfer, Beschützer, Richter der Welt. Dennoch wurde im Namen Abrahams als der Vater der einen Religion immer wieder das Blut der Angehörigen der anderen Religionsverwandtschaft vergossen. Aber es gab auch Geschichten brüderlicher Verbundenheit und Solidarität im Glauben an Gott und an seinen ersten Gläubigen. Und es werden heute immer mehr dieser Hoffnungsgeschichten. 

      Wir müssen verstehen:  Der Gott von Abraham, Sara und Isaak ist der gleiche Gott von Ibrahim, Hagars und Ismail. Es bedeutet ein Festhalten an die Identität des eigenen Glaubens und zugleich eine Offenheit für das Herangehen an die beiden Glaubensgeschwister. 

     Mit Abraham beginnt eine Geschichte, die zuerst zur Geschichte des Volkes Israel führt und durch dieses Volk sollen alle ‚Geschlechter der Erde‘ gesegnet werden.  In Gen.12,2-3 spricht Gott zu ihm: „Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.“

    Man nimmt an, dass Abraham eine reale Person war, die vor 1500 bis 2000 Jahre vor Christus im Vorderen Orient gelebt hatte. Er hinterließ eine konkrete Funktion im Leben der späteren Juden: Seine Geschichte wurde zur Glaubensgeschichte dieses Volkes, eine Aussage über Gottes Schöpfung inklusive Menschheitsgeschichte und sie begann mit der Geschichte Israels mit der Deportation großer Teile des Volkes von Palästina nach Babylon im Jahre 587 v. Chr. Mit der Zerstörung Jerusalems sowie des großen Tempels des Königs Salomon ist das politische und religiöse Zentrum zerschlagen und das Ende eines Opferkults und der Priesterschaft. 

    Um sich an ihren religiösen Glaubensregeln zu erinnern, wurden sie nun schriftlich fixiert. Nachdem im Jahre 398 v. Chr. das jüdische Volk zurückkehren durfte und ein neuer Tempel errichtet wurde, begann für die eine neue Ära. 

     Es ist die Geburtsstunde der Religion des schriftlich festgelegten und kodifizierten Gottesgesetzes mit all seinen Riten, Geboten und Verboten, die sich bis heute nicht verändert haben. In diesem nachexilischen Texten wird die Rolle Abrahams regelrecht festgeschrieben. Karl-Josef Kuschel beschreibt das in seinem Buch „Streit um Abraham“ so:  Gott wird identifiziert als der Gott, der an Abraham gehandelt hat, der ihn in ein neues Land geführt hat. Abraham wird damit zum Instrument von Gottes Plan für Israel und er wird zum bevorzugten Bundespartner Gottes.

     Aber warum war die Geschichte um Abraham so wichtig für die jüdische Religion? Und auch für die nachfolgenden? Warum hat das Volk Israel über Jahrhunderte Abraham in Erinnerung behalten, vor allem in Hinsicht, dass er ja nicht einmal ein Israelit war. Er kam ja aus Mesopotamien, der auf Befehl Gottes nach Kanaan auswanderte und seinen Gott mitbrachte. 

      Er kannte Gott nicht als Jahwe. Der Name taucht erst im Zusammenhang mit Mose am Berg Sinai auf. Das Verwirrspiel wird erst im Buch Exodus (6,2f.) aufgeklärt, in dem Jahwe sich Moses gegenüber mit dem Gott Abrahams identifiziert. „Gott redet mit Mose und sprach zu ihm: Ich bin Jahwe. Ich bin Abraham, Isaak und Jakob als El Schaddai (Gott, der Allmächtige) erschienen, aber unter meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen nicht zu erkennen gegeben.“ 

    So griffen die Juden nach Jahrhunderten auf ihn zurück, warum?

     Kuschel beschreibt das so: Gottes Zusage an Abraham galt für ein konkretes Land und für das Aufblühen eines konkreten Volkes, denn ohne Abraham kein Isaak, kein Jakob und die zwölf Stämme. Abraham war Zeuge unkündbarer Verheißungen Gottes, darum das Versprechen auf eine große Nachkommenschaft. Gott versprach dem Abraham das Land Kanaan. So verstanden die Juden ihr Land als Gottesgeschenk.

     Als drittens versprach Gott Abraham den Segen. Der Segen wäre eigentlich universell. Somit wird dieses kleine Volk zu einem bedeutenden Vermittler des Segens für alle Völker und damit wird Abraham auch zum Stammvater aller Völker. Der Theologe Claus Westermann fasst das zusammen: „Das in der Verheißung an Abraham angekündigte Wirken Gottes findet seine Grenze nicht an Abraham und seinen Nachkommen, es kommt zu seinem Ziel erst unter Einschluss aller Geschlechter der Erde.“ Das heißt für mich auch: der Segen gilt für alle Religionen.

     Mit Abraham wird das Urmodell eines Gläubigen vermittelt: Er muss sich auf Gott verlassen können bei seinem Auszug aus seiner Heimat.

Dennoch ist da ein Zweifel, dass er in seinem Alter und seinen Frauen noch Kinder mit zahlreichen Nachkommen bekommen wird, und nun soll er seinen Sohn opfern? Sein Glaube an Gott muss schon unermesslich gewesen sein. 

     Mit der Zeit entstand aus dem Abraham eine Identifikationsfigur des gesetztreuen Judentums. Abrahams Glaube wird identisch mit dem Gehorsam gegenüber jüdischer Gesetze.   Dennoch, der jüdische Monotheismus kann nicht ‚universal‘ betrachtet werden, er nimmt eine Sonderstelle unter anderen Völkern ein, denn er sieht sich als erhaben, über alles andere stehend, besonders die Elite im neu aufgebauten Tempel.

    Dennoch, das einfache jüdischen Volk, geprägt durch die jahrhundertlange Unterdrückung durch die Herrschaft der Seleukiden und der Römer, hegte immer wieder die Hoffnung auf einen erwarteten Messias.

   Jesus war zeit seines Lebens ein gesetzestreuer Jude, hatte aber kein Verständnis für den jüdischen exklusiven Kult, für die fromm- elitäre Abgrenzungspraxis der Rabbiner. Er sagt zu ihnen (Mk11,17): „Mein Haus soll ein Haus des Gebets für alle Völker sein? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.“ 

    Meines Erachtens hatte Jesus eine Reinigung des Geistes, eine Säuberung des Herzens im Sinn. Nein, er wollte nicht die Tora für ungültig erklären oder sich an die Stelle von Abraham setzen, er wollte den Glauben erneuern und das gläubige Volk in den Mittelpunkt rücken, weg von ererbten Vorrechten. Er vertrat bis zuletzt den Glauben an den Gott Israels, an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Seine Gemeinschaft bestand aus diejenigen, die um seinetwillen alles verlassen haben. Mit seinem Tod und dem Auferweckt sein wurde er zum Messias Israels. Für die Christen wurde Jesus Gottes Sohn, in dem Gott sich den Menschen gezeigt hat.

   In dem neutestamentarischen Bericht von Matthäus 8,11-12 heißt es dann auch: „Ich sage euch: Viele werden von Osten und Westen kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; aber die Söhne des Reiches werden hinausgeworfen in die äußerste Finsternis.“ Anstelle der Söhne des erwählten hochmütigen Israel sollen nun die Nichtjuden mit Abraham, Isaak und Jakob sitzen. Jesus ist seiner Tora treu geblieben, nur die hoch ‚erhabenen‘ Israeliten werden vom Tisch entfernt. Den Juden wird damit das ‚verheißene Volk‘ zu sein, abgesprochen. Ebenso sprechen später die Schriften der Evangelisten den Juden alle Vorrechte ab: Jetzt erhält jeder Christ die Verheißungen Gottes an Abraham, da Jesus als sein Nachkomme anerkannt wird.

    Schon im Evangelium von Matthäus als Judenchrist liest man gleich am Anfang: Mt1 „Dies ist das Buch der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.“ Auch Paulus betrachtet Jesus als ein Nachkomme Abrahams. Durch ihn erhält nun jeder Christ Anteil an den Verheißungen, die Gott Abraham versprochen hatte, so auch die Heiden.

   Die Zielsetzung von Lukas als Heidenchrist ist eine neue Gemeinschaft von Juden und Heiden in einer Kirche Jesu Christi. 

    Mit Johannes kommt es zum endgültigen Bruch zwischen den neuen Christen und den Juden: In Joh 8,58-59 steht: „Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ehe denn Abraham ward, bin ich“. Das kann man nur so verstehen: Alles, was das Judentum ausmacht, ‚Kinder Abrahams‘ zu sein, die Identitätsstiftung, wird hier bestritten, es ist faktisch eine Enterbung. Abraham wird dadurch nur zum ‚Vorvater‘ Christi. 

  Fazit von Kuschel: ‚Die neutestamentlichen Zeugen erfinden keinen neuen Glauben, sondern leben das erneut vor, was die Väter Israels auf ihre Weise praktizierten. Mit Jesus Christus beginnt kein neuer Glauben, sondern der uralte Bund, den Gott mit den Vätern Israels geschlossen hatte, wird noch einmal erneuert.‘

     Dieses ‚auserwählte‘ Volk Israels wird somit heilsgeschichtlich erniedrigt und einige Jahrhunderte später auch physisch vernichtet.

      Es ist schon interessant, wie sich ein Gott, der an ein Volk gebunden ist, zu einem ‚Herrscher der Welten‘ entwickelt.

     Das Grundbekenntnis der Juden lautet bis heute: Erhaben ist der lebendige Gott und gepriesen, er ist, und keine Zeit beschränkt sein Dasein. Er ist einzig, und nichts ist einzig gleich seiner Einzigkeit, er ist unsichtbar, und unendlich ist seine Einheit.

  Das christliche Glaubensbekenntnis beginnt so: „Ich glaube an Gott, den Vater.

Er hat Himmel und Erde und uns alle erschaffen…“.

    Im Islam lautet das Glaubensbekenntnis „Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Gott. Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist.“

    Der Inhalt aller drei ist ähnlich. Diese Ähnlichkeiten sowie aber auch die Unterschiede zwischen den drei Religionen sollten den Menschen eigentlich als Gelegenheit zum Dialog dienen. Abraham ist zwar eine zentrale Identifikationsfigur und hilft sicherlich im Dialog. Dennoch, so denke ich, steht nicht Abraham im Mittelpunkt eines Dialogs, aber sein Gott, unser Gott.               

  Manaar

 

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