Respekt gegen Verleumdung und üble Nachrede

08.07.2022

Respekt gegen Verleumdung und üble Nachrede

Nicht nur im Islam bedeutet Respekt, jemanden so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Respekt hat mit Frieden und Liebe zu tun und es ist ein Zustand des Geschätzt Werdens, des Geehrt Seins, es ist eine Art von Höflichkeit, Toleranz und Ehrlichkeit, eine Achtung der Gefühle anderer. Mehr noch: Es bedeutet, dass jeder Mensch dafür Verantwortung trägt, die ganze Schöpfung Gottes mit Respekt zu behandeln, also nicht nur dem Menschen gegenüber, auch die Natur verlangt Achtung, ebenso vor unserem gemeinsamen Schöpfer. Das bezeugt der 52. Vers der Sure An-Nur- Das Licht: „Und wer Allah und Seinem Gesandten gehorcht und Allah fürchtet und sich vor Ihm in Acht nimmt: solche sind es, die glückselig sind.“

     Um glückselig zu sein bedeutet das, dass wir nicht nur für unsere Handlungen, Gedanken und Aussagen verantwortlich gemacht werden können, sondern auch für das Resultat und besonders für den Einfluss unserer Handlungen, den wir damit auf die Menschen und auch auf die ganze Schöpfung haben. Das heißt für mich: wenn ich von euch Achtung mir gegenüber erwarte, muss ich euch ebenfalls mit Achtung begegnen und genauso verlangt die Natur, also Pflanzen und Getier von mir ihre besondere Achtung.

     Aber so einfach scheint es doch nicht immer zu sein.  Frust, Neid, Hochmut, etwas Besseres zu sein kommt dann ins Spiel. Manchmal, im Gespräch, merkt man vielleicht gar nicht, dass man gerade gedankenlos über jemanden spricht und vielleicht sogar über diesen lästert. Oder Neid, wenn man denkt, ein anderer wird bevorzugt. Aber meistens ist es gar nicht mal gewollt, wenn z.B. jemand über eine nicht anwesende Person über einen vielleicht sogar ungewollten Fehler von ihr spricht. Sicher ist es mir auch schon mal passiert. Da wäre jemand hilfreich, der sagt: ‚Stopp, Er oder sie ist gerade nicht hier, es gehört sich nicht, über jemanden zu sprechen, der nicht anwesend ist, auch wenn es die Wahrheit wäre.‘ Das nennt sich üble Nachrede. In der Sahih Muslim steht: (105) Huthaifa berichtete: Ins Paradies wird nicht eintreten, wer Namam ist, (oder Namima begeht)“. D.h. wer üble Nachrede verbreitet, also hinter dem Rücken eines Nichtanwesenden schlecht über ihn spricht.

    Der Koran sagt das noch krasser: Die 49.Sure Al-Hudjurat- Die Gemächer“, Vers 12 besagt:O ihr, die ihr glaubt! Vermeidet häufigen Argwohn; denn mancher Argwohn ist Sünde. Und spioniert nicht und führt keine üble Nachrede übereinander. Würde wohl einer von euch gerne das Fleisch seines toten Bruders essen?“ Schon da würde ich mich fragen, ob diejenigen, die über uns bzw. über Seyran Schlechtes berichten, z-B. in den Medien, wissen, was sie da machen?

   Auch wenn über jemandem etwas Negatives geschrieben wird, sollte es ordentlich begründet werden. Darauf komme ich noch zu sprechen.

   Zum hässlichen Benehmen gehört auch der Neid. In der 3. Sure „al-Ìmran – Das Haus Ìmran“, Vers 120 wird Neid so beschrieben: „Wenn euch etwas Gutes trifft, empfinden sie es als Übel, und wenn euch ein Übel trifft, so freuen sie sich darüber…“  Jemand ist neidisch z. B. auf jemandes Besitztum oder auf bessere Bezahlung einer Arbeit oder sogar auf bessere Anerkennung. Jeder wünscht sich mal etwas Besseres, eine angenehmere Arbeit, eine größere und schönere Wohnung. Aber ich würde es jemanden nicht beneiden. Man kann ja darauf hoffen oder träumen, das ist doch nichts Schlechtes. Gott verlangt von uns, das Gute zu gebieten und das Schlechte zu verbieten.

   “Und diejenigen, die gläubigen Männern und gläubigen Frauen ungerechterweise Ungemach zufügen, laden gewiss (die Schuld) der Verleumdung und eine offenkundige Sünde auf sich.” So heißt es in der 33. Sure Al-Ahzab- Die Verbündeten, Vers 58. Gott verspricht hier den Übeltätern eine große Strafe, verspricht aber diejenigen Seine Barmherzigkeit, die aus Unwissenheit Sünden begangen haben, so wie es in der 6. Sure „Al-An’am – Das Vieh“, Vers 54 heißt: „Und wenn jene, die an Unsere Zeichen glauben, zu dir kommen, so sprich: ‚Friede sei auf euch! Euer Herr hat Sich Selbst Barmherzigkeit vorgeschrieben; wenn einer von euch unwissentlich etwas Böses tut und es danach bereut und sich bessert, so ist Er Allvergebend, Barmherzig.“ Seine Vergebung umfasst so alle Sünden, wenn man nur bereut und sich danach von ihnen in Zukunft fernhält.

      Seit letztem Jahr gibt es in Deutschland ein Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität. So kann nun derjenige, der z. B. im Internet Menschen beleidigt, bestraft werden.

    Es besagt unter anderem: Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, kann, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, bestraft werden. 

  Und wie oft wird unsere Moschee oder Seyran beleidigt oder Schlimmeres? Gerade hat unsere Ibn Rushd-Goethe-Moschee ihren 5. Jahrestag gefeiert. 5 Jahre Bestand gegen unablässige Beleidigungen und Verleumdungen. 

In einer dieser Hassmails stand geschrieben: Niemand von euch Antimuslimen, die ihr euch Muslime nennt, habt den Koran jemals richtig interpretiert.“ Ich beziehe das direkt auf meine Predigten. Die erste Regung war: Nur Gott kann über mich urteilen, bzw. über andere Muslime und Nichtmuslime, nicht irgendeiner, der mich nicht kennt und vielleicht auch nicht meine Predigten. Ich schaute dann im Koran nach einer guten Antwort und fand das in der Sure „al-Hudschura“, Vers 9: „Und wenn zwei Gruppen von den Gläubigen im Streit miteinander liegen, so schlichtet zwischen beiden! Und wenn die eine der anderen Unrecht tut, so bekämpft die, die Unrecht tut, bis sie der Entscheidung Gottes nachkommt! Und wenn sie dem nachgekommen ist, dann schlichtet zwischen beiden in Gerechtigkeit und tut das Rechte. Siehe, Gott liebt diejenigen, die recht handeln.“ Meist hat man im Laufe der Geschichtediesen Satz als Vorwand für einen Krieg genommen. Aber wollte das Gott wirklich so? Denn Gott ist auch der Friede.

     Gott hat mit diesem Vers die Grundlage für alle Denkvorgänge im Zusammenhang mit Streitereien zwischen verschiedenen muslimischen Gruppierungen und in unterschiedlichen Situationen geschafft, also in erster Linie für einen friedliche Lösung. Für mich heißt das: Mit gegenseitiges Bekämpfen wird das Wissen auch nicht tiefer und der Konflikt nicht gelöst. Es sollte erst gar nicht zum Streit kommen, wenn man auf friedlichem Wege zueinander kommen bzw. zwischen den Gruppen geschlichtet werden kann. Das Wort ‚kämpfen‘ muss nicht unbedingt mit Waffen oder mit schlimmen Anfeindungen zu tun haben, sondern ein friedliches, mit Worten Streiten, ein Diskutieren, ein sich intensiv mit der tieferen Aussage des Korans Beschäftigen. Ein sozusagen Schlechtes sagen hinter dem Rücken eines anderen, ihn anfeinden, besagt doch, dass er wissen muss, dass er hässlich denkt und die Wahrheit nicht ans Tageslicht bringen will. 

    Warum schaut unser Gegner, ein über uns Urteilender, uns nicht ins Gesicht und sagt dann, was er von uns denkt. Vielleicht hat er einfach Angst vor uns, weil er über die Konsequenzen nicht im Klaren ist. Ich behaupte ja nicht, dass ich die Weisheit mit Löffeln gegessen bzw. für mich gepachtet habe, aber ich bemühe mich zu verstehen und verwende viel Zeit, um die Aussagen des Korans, um die Aussagen Gottes besser zu verstehen.

    Vom ersten Tag unserer Moscheegründung stehen wir unter Beschuss vonseiten solcher Menschen, die genau wissen wollen, was eine Moschee ist und wie sie sein muss. Das Wort Moschee, arabisch masjid, bedeutet nicht nur ein Ort der Niederwerfung und religiöser Ausübung, es ist auch ein sozialer Treffpunkt. Und das Wort Muslim bedeutet eigentlich nur ‚ein sich Gott Ergebender‘, das kann ein Christ, ein Jude oder ein Muslim sein. Das heißt für mich: Sie alle können in einer Moschee zusammensitzen. Wer hat das Recht, den Juden oder Christen das zu verwehren?

    Die Empörung in Teilen der muslimischen Welt war vom ersten Tag an groß, vor allem von diejenigen, die überhaupt nicht dabei waren. Es gab Fatwas gegen die Gründung, im Internet kursierten hasserfüllte Kommentare und das bis heute. 

     Das habe ich im Internet in ‚Welt.de‘ vom 21.6.2017 gefunden:
„Wichtige Institutionen in der islamischen Welt verurteilen eine neue liberale Moschee in Berlin. Die türkische Religionsbehörde Diyanet erklärte, die Ibn-Rushd-Goethe Moschee in Berlin-Moabit missachte ‚die Grundsätze unserer erhabenen Religion‘. Ziel sei, die islamische Religion ‚zu untergraben und zu zerstören‘. Die Behörde in Ankara sprach von einem ‚Projekt des Religionsumbaus‘ unter Federführung der Gülen-Bewegung. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht einmal, wer überhaupt Gülen war.

    Auch die Fatwa-Behörde in Ägypten sprach sich in scharfer Form gegen die von der türkischstämmigen Frauenrechtlerin Seyran Ates gegründete liberale Einrichtung aus. Es verstoße gegen die islamischen Glaubenspflichten, wenn sich Frauen gegen das Tragen eines Kopftuchs entschieden, wie in der neuen Moscheegemeinde üblich. Ich habe keine Stelle im Koran gefunden, die explizit ein Verbot ausspricht. Nur drei Verse befassen sich mit Kleidungsvorschriften für Frauen, in keiner wird erwähnt, dass die Frau sich das Haar zu bedecken oder etwa das Gesicht zu verhüllen habe. Ich habe das schon in einer anderen Predigt detailliert behandelt. (24:30-31, 33:53, 33:59)

    Besonders verurteilt das Dar al-Iftam, die Ägyptische Fatwa-Behörde, das in der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee praktizierte gemeinsame Gebet von Männern und Frauen. „Der Islam verbietet Körperkontakt zwischen Männern und Frauen während des Gebetes. Denn das verletzt die Grundlagen des islamischen Rechts.“ Frauen sei zudem nicht erlaubt, Imam zu sein, wenn auch Männer anwesend sind. Auch die Kairoer Behörde sprach von einem Angriff auf den Islam Also alles in allem: ‚Es handele sich nicht um eine Moschee‘. Ja, ihr habe richtig gehört: Unsere Moschee ist ‚ein Angriff auf den Islam‘. Wie sehr muss man vor uns Angst haben, um das über uns aussagen zu können.

   Wenn ich die Beschimpfungen, Beleidigungen gegen unsere Moschee, gegen Seyran Ates als Gründerin zusammenfasse, kann ich nur dagegenhalten: Nein, wir greifen nicht den Islam an, sondern diejenigen, die immer noch den Islam als eine Herrschaftsreligion, eine Religion der Furcht vor Gott und der Obrigkeit sehen und nicht als eine Religion der Liebe und Barmherzigkeit.  Und wenn man Angst hat im Gebet vor unschicklichen Körperkontakt, dann frage ich mich: Sollten nicht die Gedanken der betenden Männer bei Gott sein, statt die Frauen unzüchtig zu betrachten? Können sie sich nicht zügeln? Und warum ist das in der heiligen Moschee in Mekka seit Urzeiten noch so, dass Mann und Frau nebeneinander Allahs gedenken können ohne beleidigende Hirngespinste?   

    Ihre Worte und Verurteilungen klingen in meinen Ohren nach Angst, mächtige Angst und Hass gegenüber allen, was ihre Macht vermindern könnte, Angst vor einer kleinen Moschee. Wenn das so ist, dann machen wir unsere Arbeit doch gut!

   Wir sind wie Nadelstiche in dem Machtgefüge und sie befürchten, dass es immer mehr werden. Überall werden Stimmen gegen sie lauter. Vielerorts hören wir, dass sich ähnliche Gruppen oder sogar Gemeinden bilden wollen. Meines Erachtens ist das für sie ein Grund, uns und unsere Moschee zu diffamieren.

   Meine Antwort wird dann immer so ausfallen: Ich gebe mir noch mehr Mühe, den Koran zu verstehen und ihn so zu interpretieren, wie ich ihn verstanden habe.  Solchen Leuten, solchen Muslimen kann ich nur zurufen: „Kommt doch zu uns, diskutiert mit uns, aber in höflicher Form!  Ich lade jeden dazu ein, mit mir zu diskutieren, wenn ich falsch liege! Denn auch so kann ich hinzulernen.

   Dennoch, jeden Freitag begrüßen wir Gäste aus aller Welt, die mit uns im Gebet stehen und mit uns friedlich diskutieren und die Gewissheit eines friedlichen Islam mit nach Hause nehmen. 

    Gott hat uns zu eigendenkende Wesen geschaffen und jeder sollte seine Religion mit gutem und sinnvollem Leben ausfüllen, das er dereinst Gott gegenüber zu begründen hat.

 

Ein Schusssatz von Schaikh Mevlana Rumi noch: „Wer klug ist, nützt sich selber und nützt zugleich uns allen.“ 

Manaar

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