Gott und die Seele

03.03.2023

Gott und die Seele

Über Gott habe ich schon viele Predigten gehalten. Aber man kann nicht oft genug über Ihn nachdenken, denn ich finde immer neue Bezugspunkte. Heute will ich über die Verbindung Gott mit unserer Seele sprechen. 

   Da steht als Erstes die Frage: Wer oder was ist Gott. Die am häufigsten vorgetragene Sure sagt das so: qul huwa llahu ahad – Sprich: „Er ist Allah, ein Einzige; allahu s-samad – Allah, der Absolute, Beständige; lam yalid wa-lam wa-lam yulad – Er zeugte nicht und wurde nicht gezeugt; wa-lam yakun lahu kufuwan aḥad – und keiner ist Ihm ebenbürtig.

    Er ist etwas Einzigartiges, vollkommen anders als wir, aus ganz anderem Material. Ich sehe das so: Wir bestehen aus Materie und alles, was Er geschaffen hat, ist ebenfalls aus Materie. Aber Materie kann keine neue Materie erschaffen, nur umformen, Er ist also etwas Einmaliges, was wir nicht erkennen, begreifen können. 

   Das arabische Wort ‚samad‘ kommt nur einmal im Koran vor, schon allein ist daran zu erkennen, dass es etwas Besonderes zu bedeuten hat und es gibt vielerlei Erklärungen für das Wort ‚samad‘: ‚Der Absolute, der Ewige, der Unabhängige, von dem alles abhängt‘, usw. Der Dichter Rückert übersetzt das Wort mit ‚ein ewig Reiner‘. Aber man könnte meinen, dass die muslimische Exegeten es selbst   nicht genau zu deuten wussten. 

    Und es gab nichts vor Gott, der Ihn eventuell ins Leben gesetzt hatte und Er hat auch keinen Sohn und steht über alles, auch über Raum und Zeit, d. h. Er war schon vor dem Urknall da. Er hat selbst den Raum geschaffen und breitet ihn aus, wie die 51. Sure „Ad-Dariyat – Die Aufwirbelnden“ Vers 47 aussagt: „Und den Himmel haben Wir mit Unserer Kraft erbaut; und siehe, wie Wir ihn reichlich geweitet haben“.  D.h. Materie, die sich durch seine geschaffenen geltenden gesetzlichen Regelungen verändern können und neuer Raum hinzukommen kann. Dadurch wird Er zum al-Mubdi – der Hervorbringer, al-Musawwir – der Gestalter, al-Hafiz – der Erhalter, Beschützer, al-Baqi – der ewig Währende, um nur einige Namen zu erwähnen. 

    Ich könnte mir Gott als etwas Ähnliches, aber nur  ähnlich wie die ‚Dunkle Energie‘ vorstellen, von der man heute immer noch nichts weiß und vielleicht für immer verborgen bleibt und mit rund 68% Dichte des Weltraumes ausmacht. Sie hält den Kosmos zusammen, ist überall, auch in mir und um mich herum. Es weitet den Kosmos und hat vielleicht auch von Anfang an erst den nötigen Stoß von Gott bekommen, um sich zu entwickeln und gleichzeitig die Raum-Zeit und die dazugehörenden Naturgesetze in Schwung gebracht. Wie gesagt, das sind nur meine Gedanken.

    Da Er überall sein kann, ist es ganz normal, wenn wir im Koran lesen, dass Er uns näher als unsere Schlagader ist. Er ist also auch in uns, durchdringt uns und hat sich mit uns verbunden, durch unsere Seele und gibt uns Impulse. Warum sollen wir da nicht über Ihn nachdenken? 

   Immer wieder ruft Gott den Menschen zu, wie in Sure 59 „Al-Haschr- Die Versammlung Vers 2: „Denkt nach, die ihr Einsicht habt!“  Oder wie in der Sure 13Ar-Ra`d- Der Donner“ Vers 19: „Ist denn etwa einer, der erkennt, dass die von Deinem Herrn herabgesandte Offenbarung die Wahrheit ist, gleich einem, der blind ist?“ Das sind nachdrückliche Denkanstöße, und Gott gibt gleich darauf selber die Antwort: „Doch nur diejenigen, die Verstand haben, lassen sich mahnen.“ 

    Auch heute gilt es noch, neben einer spirituellen Gotteserfahrung den Verstand unbedingt einzusetzen. 

    Aber wie kommt die Frage von Gott an uns heran, außer dass wir es im Koran lesen? Das: ‚Warum denkt ihr denn nicht nach!‘ ist zuallererst an unsere Seele gerichtet, die erst das Nachdenken als eine Handlung begreift. Gott ist also der Absender und die Seele der Empfänger. Eine starke Seele gibt dann gleichsam der Kommandozentrale irgendwie das Zeichen zum Nachdenken und danach zum Handeln. Sie setzt einen schnellen Denkprozess in Gang, der abwägt, was richtig oder falsch ist und wie man handeln sollte. Aber eins müssen wir dabei bedenken: Die Seele ist dabei immer mit einem Hintergrund behaftet, die Bedingungen der Umwelt und Kultur. Das wird viel zu wenig beachtet.

    Ein kleines Fazit zwischendurch: Gott ist allgegenwärtig und mit uns verbunden durch unsere Seele und unserem Handeln, positiv oder negativ, ob Gläubiger oder Nichtgläubiger. 

    Die beiden Namen Gottes ‚Der Allerbarmer‘ (Ar-Rahman) und der ‚Barmherzige‘ (Ar-Rahim) beschreiben seine Beziehung zur Welt der Menschen und sind in der ‚Basmala‘ enthalten: „Im Namen Gottes, des Allerbarmers, (ar-rahman) des Barmherzigen (ar-rahim).“ 

    Nun kann man sich fragen: was ist dann die Bedeutung und der Charakter dieser beiden Namen? Die meisten Gelehrten gehen davon aus, dass beide keine Synonyme sind, beide haben also eine unterschiedliche Barmherzigkeit im Sinn. Ar-rahman bedeutet sprachlich: Derjenige, der unübertreffliche ‚rahma‘ besitzt, bezieht sich auf die Barmherzigkeit Gottes seiner gesamten Schöpfung gegenüber. Ar-rahim bezieht sich mit seiner Barmherzigkeit auf die Gläubigen. D.h. Gott als ar-rahman steht für Gläubige und Nichtgläubige, für die ganze Menschheit, sie ist also umfassender und hat demnach eine andere Qualität der Barmherzigkeit Gottes. At-Tabari meint zum Unterschied: „Was die Gläubigen angeht, so bezieht sich die Barmherzigkeit Gottes als ar-rahim darauf, dass er ‚ihnen den Weg erleichtert hat‘ (arab. lattafa lahum), ihm zu gehorchen, an ihn und seine Propheten zu glauben, seinen Geboten zu folgen und seine Verbote zu vermeiden. Dazu kommt, was er an ewigen Lohn und klarem Gewinn im Jenseits für den, der an ihn geglaubt hat, vorbereitet hat.“ Zusammengefasst: Ar-rahim bedeutet einfach gesagt: Gottes Gnade und Vergebung.

     Widerspricht sich die Furcht der Seele des Menschen vor Gott vor einer Bestrafung im Jenseits mit Seiner Barmherzigkeit,  also gibt es einen Widerspruch zwischen der Furcht vor dem Jüngsten Gericht und der Barmherzigkeit?

    Im Koran beschäftigen sich nur wenige Suren mit der Seele des Menschen. In der 6. Sure „Al-`Am- Das Vieh“ Verse 60-62 lesen wir: „Und Er ist es, Der eure Seelen in der Nacht abruft und weiß, was ihr am Tage begeht, an dem Er euch dann wieder erweckt, auf dass die vorbestimmte Frist vollendet werde. Zu Ihm werdet ihr dann heimkehren; dann wird Er euch verkünden, was ihr getan habt. Und Er ist es, der alle Macht über seine Diener hat, und Er sendet über euch Wächter, bis endlich, wenn der Tod an einen von euch herantritt, Unsere Boten seine Seele dahinnehmen; und sie vernachlässigen nichts. Dann werden sie zu Allah, ihrem Herrn, zurückgebracht. Wahrlich, Sein ist das Urteil, und Er ist der Schnellste im Rechnen.“ 

    In der 39. Sure „Az-Zumar – Die Scharen“ heißt es: Allah nimmt die Seelen der Menschen zur Zeit ihres Sterbens zu sich und auch die Seelen derer, die nicht gestorben sind, wenn sie schlafen. Dann hält Er sie zurück; über die Er den Tod verhängt hat, und schickt die anderen wieder bis zu einer bestimmten Frist ins Leben zurück. Hierin sind sicher Zeichen für Leute, die nachdenken.“  Wir sind also auch im Schlaf in Seiner Obhut. Und ich nehme an, dass Er da schon unsere Seele nach ihren Handeln befragt und vielleicht uns bzw. unserer Seele Hinweise gibt, die wir beachten sollten. Dann brauchten wir auch keine große Furcht zu haben.

      Das Wort ‚Geist oder Seele‘ (ruh) bedeutet in der koranischen Terminologie ‚Offenbarung oder göttliche Information‘. Im Moment des Todes wird dem Menschen das Bewusstsein und die Persönlichkeit entzogen. 

    Für mich ist die Seele mit all unseren Träumen und Taten und was sie für uns darstellt, eine Erklärung unserer Beziehung zu Gott. Wir können unsere Seele genauso wenig mit unserem Verstand erfassen wie Ihn.  Er selbst teilte uns mit, dass Er Adam von Seinem Hauch eingeatmet hat, also ein wenig von Ihm steckt in jedem von uns. Unsere Seele könnte darum aus dem gleichen Stoff sein wie Gott. Nur so kann Er mit uns kommunizieren, auch wenn wir das nicht immer verstehen. Er hat dieses Elixier uns zeitweilig für unser Leben geschenkt und eines Tages wird Er es mit all unseren Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen, Taten von uns zurückholen. Es wird beladen sein mit Gutem und Schlechtem und geläutert wird es sicher bei Ihm, im Paradies seinen Platz erhalten. So sind meine Gedanken.

    Wir sind Seine Geschöpfe und werden es immer bleiben. Nie können wir uns auf eine gleiche Stufe stellen mit Ihm, denn was anderes kann diese Einheit von Mensch und Gott nicht bedeuten, auch wenn sie in uneingeschränkter Liebe geschieht. Wir können in vollkommener Liebe aufgehen, aber immer nur Sein Geschöpf bleiben. Unsere Seele kann zu Ihm dahinschmelzen, aber sie ist und bleibt immer nur eine Seele, darauf angewiesen, dass Er sagt „Sei!“

    Maulana Jalal al-Din Rumi (1207-1273) schrieb über die Seele und damit über unser Bewusstsein: „Ich war auf der Suche und bin es immer noch. Doch ich habe damit aufgehört, die Bücher oder die Sterne zu befragen. Ich höre nun der Weisheit meiner Seele zu.“

   Weiter sagte er:   “Sobald man das Körperbewusstsein verlässt, verschmelzen der Himmel, die Erde und das gesamte Universum zu einer einzigen Farbe, zu einem einzigen Wesen und zu einem Ursprung. Und viel wichtiger noch: Dies alles vereinigt sich mit der Seele zu einem fortwährenden, offenen Dasein.” 

    Und noch etwas Wichtiges: Jeder Mensch kann durch seine Seele selbst mit Gott sprechen. Fürsprecher braucht er darum nicht. Ich muss nicht jemanden ersuchen, bei Gott um etwas für mich zu bitten. Im Koran heißt es, dass keiner die Verantwortung eines anderen übernehmen kann. Und eine herangetragene Bitte an einen anderen Menschen ist, als wenn man ihm eine Last aufbürden würde. Das besagt die 7. Sure „Al-A`ra f- Die Höhen“ Vers 164: „Und keine lasttragende Seele nimmt die Last einer anderen auf sich“. 

    Und zum Abschluss noch einen Vers aus der 10. Sure „Yunus“ , den Vers 24, der die Seele mit Wasser vergleicht: „Das Gleichnis des irdischen Lebens ist nur wie das Wasser, das Wir aus den Wolken herabsenden; damit vermischen sich dann die Gewächse der Erde, wovon Mensch und Vieh sich nähren, bis zu ihr – wenn die Erde ihren Prunk angelegt und sich schön geschmückt hat und ihre Bewohner glauben, sie hätten Macht über sie – Unser Befehl in der Nacht oder am Tage kommt und Wir sie zu einem niedergemähten Acker machen, als wäre sie nicht am Tage zuvor gediehen. Also machen Wir die Zeichen für die Leute klar, die nachdenken.“

   Und ich hoffe für euch, dass eure Seele eines Tages bei Gott nur Pluspunkte vorweisen kann.

Manaar

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