Barmherzigkeit

16.12.2022

Barmherzigkeit

Gott definiert Seine Barmherzigkeit über Sein Schaffen und Seine Gesetzmäßigkeiten 

    In dieser Überschrift stecken eigentlich 3 wichtige Punkte drin, die miteinander in Beziehung stehen. Da ist erst einmal Sein Erschaffen bzw. Sein Wirken, und Sein Wirken schlägt sich im Kosmos auf alle Seine Gesetzmäßigkeiten aus, aber in einer besonderen Beziehung, nämlich durch Seine Barmherzigkeit. 

    Im Koran finden wir fast in jedem Satz etwas über die Natur und deren Gesetzmäßigkeiten und über die Gesellschaften der Menschen: über die Berge und deren Wurzeln, dem Wasserkreislauf bis hin zu den Ozeanen, über das Wachsen und Vergehen der Pflanzen und Getier, wie auch das der Menschheit. Die Natur unterliegt vollkommen Seinen Gesetzen bis auf eine kleine, aber wichtige Ausnahme: der Mensch. Das ist Seine größte Barmherzigkeit. 

   In der 67. Sure „Al-Mulk- Die Herrschaft“ stellt sich Gott gleich am Anfang so vor: „Voller Segen ist der, in dessen Hand die Herrschaft liegt. Und Er hat Macht über alle Dinge. Der den Tod und das Leben geschaffen hat, um zu prüfen, wer von euch am besten handelt; Und Er ist der Mächtige und Vergebende, Der die sieben Himmel geschaffen hat in Schichten. Nichts siehst du in der Schöpfung des Allerbarmers von Unstimmigkeit.“ Alle drei Fakten finden wir hier. Da ist der Schöpfer, der einen perfekten Kosmos ohne irgendeinen Makel geschaffen hat, der Schöpfer, der den Menschen geschaffen hat und ihm Regeln zum Zusammenleben gegeben hat und außerdem ihnen dazu noch Seine Vergebung und Barmherzigkeit und Allbarmherzigkeit versprochen hat.

    Gott nennt sich in der Sure „Al-Ihlas- Die aufrichtige Ergebenheit“ im 2. Vers „Allahu s-samad“ – Allah, der Absolute, Ewige.“ Er ist also schon immer dagewesen. Meines Erachtens könnte Er den Anstoß für das Werden des ganzen Kosmos gegeben haben. Genau werden wir das wohl nie erfahren, aber wir wissen heute: Es entstehen erste Elementarteilchen, Quarks und Gluonen; Sekundenbruchteile danach Protonen und Neutronen, die Bausteine entstehender Atomkerne, die ersten Wasserstoffatome, Lithium und Helium.  Nach vielleicht 100 bis 200 Millionen Jahren bilden sich die ersten Gaswolken und daraus Sterne, die auch wieder vergehen. Irgendwann gibt es die Erde und darauf die Menschen.

    Als Herrscher, Lehrer und Richter hat Er die Menschheit als Ganzes in Seinem Sinn, da Er ja den Menschen die Herrschaft über die Erde mit all ihren Verpflichtungen, Fehlern, Neugier und Wissen, gegeben hat. Es ist Teil Seiner Barmherzigkeit. 

   Was heißt eigentlich für den Menschen Statthalter auf Erden zu sein? In erster Linie Gottes Schaffen und Willen anzuerkennen und darauf mit besten Willen und Wissen aufzubauen, nicht zerstören. Schon das bedeutet barmherzig den Menschen gegenüber zu sein. Denn der Mensch ist eben nur ein Mensch und kann Fehler begehen. Er hat ihn ja nicht fehlerlos geschaffen und da setzt dann Seine Barmherzigkeit in einem bestimmten Maß und Äußerung ein. Ja, Gott gesteht sogar den Menschen zu, Fehler machen zu dürfen, denn nur so kann er Fehler gut machen, Reue zeigen und um Vergebung bitten – eben um Seine Barmherzigkeit. 

   Das heißt aber nicht, dass wir uns nun Fehler über Fehler leisten können, ohne nachzudenken oder nichts zu machen oder einfach zu warten auf Gottes Hilfe. Denn, wenn Er jeden Einzelnen unter die Arme greifen würde, bildlich gesprochen, könnten wir ja auf die Idee kommen, aufzuhören mit dem Tätigsein und Forschen. Dann könnten wir uns zurücklehnen und Ihm die ganze Arbeit überlassen. 

   Nein, auch wenn Gott in Seiner Barmherzigkeit als Hilfestellung Adam und damit der ganzen Menschheit Worte eingegeben hat, so musste er sich jeden Schritt selbst erkämpfen, eben auf dieser Grundlage. Dennoch kommt Er Seiner Verpflichtung zur Barmherzigkeit für jeden Einzelnen nach z.B. Hilfe für Krankheiten bei der Erforschungen von neuen Medikamenten usw. und als Wichtigstes: die Freiheit des Menschen. Er lässt ihn nach seinem Erachten handeln, zu seinem Nachteil oder Vorteil.

      Ich würde sagen, Gottes Barmherzigkeit ist grundlegend und entscheidend für sein Wesen. In allem Erschaffen, Werden und Vergehen steckt Barmherzigkeit drin. So denke ich, aus etwas Altem, Verbrauchtem etwas Neues zu erschaffen, auf höherer Stufe, Weiterentwickeltes, das ist Barmherzigkeit und Liebe gegenüber Seinem geschaffenem Universum.  So verbindet Barmherzigkeit den Erschaffer, also Gott mit seinem Geschaffenen, dem Menschen.

   In den Naturgesetzen steckt Gottes Wille. Sie stehen für das Werden und Vergehen, sie beinhalten die Jahreszeiten, das Umrunden der Planeten um ihr Gestirn, für den Wechsel von Tag und Nacht… All das ist im Koran dokumentiert. Und ich denke, wer diese Gesetze der Natur wie auch die menschliche Natur anerkennt, der erkennt schon zu einem Teil, ohne darüber richtig nachzudenken, Gott an. Und das ist doch schon ein Anfang, denn Gottes Barmherzigkeit erstreckt sich ja über alle Menschen. Es ist Seine Allbarmherzigkeit.

    Im Koran wird Gottes Barmherzigkeit sehr deutlich betont. So heißt es im Vers 12 der 6. Sure „Al-An`am- Das Vieh“: „Sag: Wem gehört, was im Himmel und auf Erden ist? Sag: Gott. Er hat sich zur Barmherzigkeit verpflichtet. Er wird euch sicher zum Tag der Auferstehung versammeln, an dem kein Zweifeln besteht. Diejenigen, die ihre Seelen verloren haben, wahrlich diese sind ohne Glauben.“ So scheint es, verpflichtet Er sich sogar selbst zu dieser Eigenschaft. Aber wie passt das mit der Gerechtigkeit zusammen, die ihm ebenfalls sehr deutlich als Eigenschaft zugeschrieben wird und die dann und wann auch verlangt, Menschen zu bestrafen? Wir wissen aus dem Koran: Gott bestimmt für sich selbst Barmherzigkeit, und das nicht nur für die Menschen. Das gleiche gilt auch für die gesamte Schöpfung. Dennoch gibt Er uns die Gewissheit über einen Tag der Auferstehung und des Endgerichts, d.h. eine mehr oder mindere Belohnung oder Bestrafung. Aber Er gibt den Menschen Zeit für Reue und Umkehr zum Guten und, so denke ich, für alle Menschen, denn ein richtiges Handeln beinhaltet doch schon für Nichtgläubige die Erfüllung etlicher Forderungen von Gott, die in der von Gott vorgegebenen Ethik verankert sind.

   Wenn jetzt einige Muslime das für nicht gut oder richtig halten, so frage ich sie: Wie oft bittet Gott den Menschen, auch den Gläubigen nachzudenken? Und wird wirklich tiefer nachgedacht oder das Denken den Predigern und Gelehrten überlassen? Wenn wir wirklich und immer tiefer nachdenken und danach richtig handeln würden, dann bräuchten wir vielleicht nicht Gottes ständiges Mahnen im Koran. 

     Ich denke, die meiste Zeit unseres Lebens denken wir weniger an Gott, sondern an unser alltägliches Tun. Aber in unserem Inneren werden wir angetrieben, das Richtige zu machen, strengen uns in unserer Arbeit an, versuchen sie so gut wie möglich zu machen, oder als Eltern für unsere Kinder ein gutes Beispiel zu sein, sie auf einen guten Weg zu bringen. Es liegt in unseren Genen, die uns Gott mitgegeben hat. Also tun wir unbewusst das, was Gott uns schon immer mitgeteilt hat, zumindest meistens und nicht immer alle Menschen. Ich denke wieder, das das auch zu Gottes Barmherzigkeit gehört.

    Wir handeln oft aus dem Bauch heraus, meistens geht das gut, aber nicht immer. Und da setzt Gott Seine Barmherzigkeit für uns ein. Sie drückt Seine Liebe zu uns aus, Seine Fürsorge und Hilfe. Es ist das berühmte Seil, an dem wir festhalten und darauf bauen können. 

    „Und meine Barmherzigkeit umfasst alle Dinge.“ So heißt es im Vers 156 der 7.Sure: Al-A`raf – Die Höhen“. Aber Seine größte Barmherzigkeit gegenüber dem Menschen ist, dass Er der menschlichen Seele nur das, was sie sich selbst auferlegen kann, berücksichtigt. So steht es in der 2.Sure „Al-Baqara- Die Kuh“: „Allah fordert von keiner Seele etwas über das hinaus, was sie zu leisten vermag. Ihr wird zuteil, was sie erworben hat, und über sie kommt, was sie sich zuschulden kommen lässt. Unser Herr, mache uns nicht zum Vorwurf, wenn wir (etwas) vergessen oder Fehler begehen. Unser Herr, und erlege uns keine Bürde auf, so wie Du sie jenen aufgebürdet hast, die vor uns waren. Unser Herr, und lade uns nichts auf, wofür wir keine Kraft haben. Und verzeihe uns und vergib uns und erbarme Dich unser. Du bist unser Beschützer. So hilf uns gegen das Volk der Ungläubigen!“ Mit einer großen Aussage und Bitte, die Er dem Menschen in den Mund legt, umreißt hier Gott seine Beziehung zum Menschen und Seine Barmherzigkeit zu ihm. 

    Versetzen wir uns in die Lage der neuen Muslime Anfang des 7. Jahrhunderts: Gottes Jenseits war etwas Neues für sie und sie hatten sicherlich Angst vor dem Kommenden nach ihrem Sterben. Vielleicht aus dem Grund hat Gott ihnen ihre Befürchtungen erleichtert, als Er ihnen mitteilte, dass Er keiner Seele mehr aufbürden würde, als sie zu tragen kann. So wird die Seele nicht unter Druck gesetzt. Gott erbarmt sich also unser aller Seelen. 

    Barmherzigkeit bedeutet hier Güte, Großzügigkeit, Verständnis, Zuneigung und Liebe zum Menschen wie auch zu Seiner ganzen Schöpfung. Mehr noch, denn dieser Satz betont auch gleichzeitig die Verantwortlichkeit eines jeden Menschen gegenüber der Schöpfung, besonders in der er lebt, denn als ihr Statthalter ist er ihr für ihren Schutz verpflichtet.  Und das empfinde ich als die größte Barmherzigkeit von Gott.

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