Ednan Aslan und der Beitrag der islamischen Religionspädagogik zum friedlichen Miteinander

Ednan Aslan und der Beitrag der islamischen Religionspädagogik zum friedlichen Miteinander

Bwag [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]
Universität Wien

Religionspädagogik kann eine unverzichtbare Voraussetzung dafür sein, um religiöses Wissen mit der Moderne in Einklang zu bringen. So kann religiöses Wissen erneuert und gegenwartsbezogen gelebt werden, ohne in Konflikt mit der modernen Welt zu stehen. Zur Realisierung einer solchen Religionspädagogik, beispielsweise im islamischen Bereich, sind Religionspädagogen entscheidende Akteure, um religiöse Inhalte sachlich und verständlich zu vermitteln. Zu solchen islamischen Religionspädagogen kann Ednan Aslan gezählt werden.

Ednan Aslan ist im Jahre 1959 als Sohn eines Imams in der türkischen Stadt Bayburt geboren, welches im Nordostens Anatoliens liegt. Knapp dreißig Jahre später kam er in die baden-württembergische Hochschulstadt Esslingen am Neckar, wo er dort sein Studium der Sozialpädagogik erfolgreich absolvierte. Anfang der 1990er Jahre führte ihn sein Studium der Politikwissenschaft und Pädagogik an die Universitäten Stuttgart und Tübingen. Ein Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere bildete die im Jahre 1996 aufgenommene Promotion zum Thema „Religiöse Erziehung der muslimischen Kinder in Österreich und Deutschland“, was ebenso der Forschungsschwerpunkt seiner künftigen Arbeiten wird. Er nahm 2008 die Professur an der Universität Wien für Islamische Religionspädagogik an, für die er bis heute tätig ist. Aslan befasst sich mit Themen, wie die Islamische Erziehung oder auch der Islam in Europa. Zudem ist er ein gern gesehener Gast, der zu Vorträgen auf diversen Konferenzen eingeladen wird. Und auch redaktionell sticht Aslan mit seiner Arbeit hervor, da er für verschiedene Zeitschriften als Gutachter tätig ist, wie z.B. bei „Theo-web. Zeitschrift für Religionspädagogik“ oder auch für die türkischsprachige Zeitschrift „Mizanü’l-Hak“.

Der Religionspädagoge war nicht immer unumstritten. In seinen jungen Jahren war er Vertreter eines eher konservativen, traditionellen Islambildes und auch seine frühere Begeisterung für die iranische Revolution von 1979 legt dafür Zeugnis ab. Doch im Laufe seiner Biographie hat er sich von konservativen Islamverständnissen getrennt und sieht heute Chancen, um ein liberales Islamverständnis zu etablieren. Im Jahre 2017 geriet Aslan stark unter Druck, da er in eine von ihm herausgegebene Studie öffentlich machte, dass bestimmte islamische Kindergärten in Österreich unter dem ideologischen Einfluss der Muslimbruderschaft stehen sowie eine tendenzielle Isolation der muslimischen Kinder von der Mehrheitsgesellschaft betrieben werde. In der sehr strittigen Kontroverse wurden Aslan gegenüber methodischen Mängel vorgeworfen und auch Rücktrittsforderungen wurden laut. Der Wissenschaftler und bekannte Reformmuslim Mouhanad Khorchide sprang ihm jedoch zur Seite und kritisierte, dass man sich bedauerlicherweise nicht inhaltlich mit den Ergebnissen Aslan’s auseinandersetze, sondern man ihn auf persönlicher Ebene diffamieren möchte.

Wie bereits angedeutet, tritt Ednan Aslan für eine islamische Religionspädagogik ein, bei der er künftige Lehrkräfte ausbildet und diese in Schulen eingesetzt werden. Das Verhältnis von Muslim/innen zu anderen Religionen, Konfessionen und Nichtkonfessionen soll kritisch reflektiert werden. Für eine solch kritische Reflektion ist die Heranziehung einschlägiger, theologischer Argumente eine wichtige Voraussetzung, um diese Position auch islamisch untermauern zu können.

So lautet ein theologisches Argument von Aslan: „Der Begriff dīn wird im Koran an über 90 Stellen in insgesamt vier Dimensionen beschrieben. In der ersten Dimension hat dīn mit dem gelebten Kontext zu tun, in dem Sinn, dass er die Traditionen und Gewohnheiten einer Kultur und Gesellschaft definiert […]. Weiter nimmt dieser Begriff Bezug auf die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft; als solcher umfasst er nicht nur die Orientierung einer Gesellschaft, sondern auch einer Person […]. Dīn inkludiert auch den Gottesbezug des Menschen, indem er dessen Verhältnis bzw. Vertrauen zu Gott zum Ausdruck bringt […]. Auf die Gesellschaft bezogen beschreibt dieser Begriff schließlich sowohl die sozialen als auch die rechtlichen Verhältnisse einer Gesellschaft […]. Diesen Darstellungen ist zu entnehmen, dass der Begriff dīn für Religion nicht allein vom institutionalisierten, von Prophet Muhammad verkündeten Islam in Anspruch genommen werden kann; vielmehr legt die Ayah „Für euch euer Moralgesetz, und für mich meines!“ (Koran 109/6) nahe, dass der Koran auch die Lebensweise und Moraleinstellungen der nichtmuslimischen Mekkaner als dīn bezeichnet. Demnach werden in der Lehre des Korans alle Religionen, die sich auf Gott berufen, im Hinblick auf ihren Wesenskern als dīn bezeichnet. Die Divergenzen, die diesen Wesenskern nicht betreffen, gel-ten nicht als dīn, sondern als theologische Wunschvorstellungen.“

In derselben Stelle betont Aslan den wichtigen Vers 112 in der zweiten Sure, bei der die guten Wohltaten des Menschen Erwähnung finden und der lautet: „Doch wer sich Allah hingibt und Gutes tut, der hat seinen Lohn bei seinem Herrn; und diese werden weder Angst haben noch werden sie traurig sein“. Der Religionspädagoge erklärt dazu: „Diese Ayah vermeidet die Hervorhebung einzelner Religionen und verweist stattdessen auf die persönliche Handlung und Verantwortung des Individuums – nicht die Stammes- bzw. Gruppenzugehörigkeit eines Men-schen ist ausschlaggebend für seine Qualität als Mensch; entscheidend sind seine individuellen Werke unabhängig von seiner religiösen Zugehörigkeit. Allein den Islam mit seinen institutionalisierten Strukturen als dīn zu verstehen, entspräche nicht seinem Wesen. […]. Im Kern ist das, was der Koran als dīn bezeichnet, ein Bewusstseinszustand, der der Naturveranlagung der Menschen entspricht. Diese Naturveranlagung ist die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch unverändert geblieben“ (S. 19-22).

Demnach sollte der Kern der islamischen Erziehung darin bestehen, dass man sich nicht im Gegenpart zu anderen Konfessionen und Nichtkonfessionen befindet, sondern die Gemeinsamkeiten als Menschen zu betonen, zu der beispielsweise die guten Taten zählen. Ednan Aslan kann mit Nachdruck betonen, dass es sich hierbei um keine außerislamischen Gedanken handelt, sondern durch die Bezugnahme auf islamische Geschichte und Theologie ihre Legitimation in der Religion findet.

In einem Gastbeitrag für die Zeitung „Die Presse“ beschreibt er zum gleichnamigen Titel „Die Grundlagen eines Islams europäischer Prägung“ die Fundamente für einen Euro-Islam: „Die Behauptung, dass es nur den einen Islam gebe, kann jedenfalls weder verstandesmäßig noch mit Blick auf die muslimische Wirklichkeit aufrechterhalten werden: Wäre es so, wie ließe sich die gleich nach dem Ableben des Propheten vollzogene Spaltung, wie ließen sich die gegenwärtigen Kriege zwischen Muslimen erklären? Wurden nicht sowohl die Familie des Propheten als auch die ersten drei der sogenannten „rechtgeleiteten Kalifen“ durch Muslime getötet? Welcher war damals der wahre Islam? Und welcher ist es heute – der saudische, der türkische, der pakistanische? Der in Wien oder der in Rakka praktizierte? Ganz offensichtlich war und ist der Vollzug der islamischen religiösen Praxis immer kontextuell, durch die jeweilige Verfasstheit einer Gesellschaft geprägt – wobei eine Neuprägung der Glaubensgrundlagen des Islam keineswegs gleichzusetzen ist mit deren Neudefinition. Die würde etwa implizieren, dass Muslime ihre Gebete, Pilgerfahrten oder Fastenrituale zu ändern, gar aufzugeben hätten. Eine europäische Prägung zielt weniger darauf ab festzulegen, wie man betet und fastet, sondern aus welchen Beweggründen heraus. Die Grundsätze des Glaubens blieben dabei unangetastet. Um Missverständnisse auszuschließen, seien die Grundlagen eines europäisch geprägten Islam in der Folge kurz dargestellt.
[…] Im Zentrum steht der Mensch: Im Verlauf seiner Geschichte hat der Islam die Menschen aus ihrer Stammeszugehörigkeit befreit und aus dem Konstrukt des kollektiven Subjekts ein eigenständiges Individuum werden lassen. Mit dem Glaubensbekenntnis bekundet der Mensch seine Autonomie und seine Verantwortung vor Gott und der Gesellschaft. Beides befähigt den Menschen, sich Autoritäten gegenüber zu behaupten und sich für oder gegen die Religion zu entscheiden. Ein vernunftbegabter Mensch leitet seine Verantwortung aus sich selbst ab, nicht aus obrigkeitlichen oder institutionellen Zwängen. Eine islamische Theologie europäischer Prägung stellt eben diesen freien Geist in ihren Mittelpunkt.“

Im selben Artikel fordert er sowohl die Befreiung der Frau als auch die Veränderungsbedingungen gesellschaftlicher Ordnungen in innermuslimischen Debatten zu berücksichtigen, wobei er die Scharia als Rechtssystem meint. Die zentralen Werte der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit dürfen nämlich nicht zu kurz geraten. Insbesondere für die Befreiung der Frau legt er ein Plädoyer dafür ab, dass die Theologie über die Stellung der Frau nicht länger von Männern dominiert werden sollte.

Ednan Aslan setzt sich auch wissenschaftlich weiterhin mit gesellschaftlichen Fragen zur Islamforschung auseinander. In Kooperation mit weiteren Wissenschaftler/innen erarbeitet er Studien, die überwiegend im Verlag für Sozialwissenschaften erschienen sind. Die Überschriften lauten: „Islamische Seelsorge. Eine empirische Studie am Beispiel von Österreich“, „Imame und Integration“ oder auch „Muslimische Diversität. Ein Kompass zur religiösen Alltagspraxis in Österreich“. Um sich der gelebten Alltagsrealität von Muslim/innen in Österreich anzunähern, den Glauben sowie die islamischen Traditionen kritisch zu beleuchten, kann Ednan Aslan wertvolle Diskussionsbeiträge liefern, um in einen friedlichen und respektvollen Diskurs zu kommen.

Quelle:

Aslan, Ednan (2017): Die Erziehung muslimischer Kinder zu Pluralitätsfähigkeit. In: Yasar Sarikaya/ Franz-Josef Bäumer (Hrsg.): Aufbruch zu neuen Ufern. Aufgaben, Problemlagen, und Profile einer islamischen Religionspädagogik im europäischen Kontext. Waxmann Verlag: Münster, S.15-34

https://www.krone.at/1696806

https://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/4735808/Die-Grundlagen-eines-Islam-europaeischer-Praegung

https://diepresse.com/home/bildung/4934560/Vorstudie_Kindergaerten-Wirkstaetten-politischen-Islams?_vl_backlink=/home/bildung/index.do

https://ucris.univie.ac.at/portal/de/activities/mizanulhak-journal(28469b1a-dc24-437b-98e4-e447c9e2bfae).html

https://ucris.univie.ac.at/portal/de/activities/theoweb-zeitschrift-fur-religionspadagogik-journal(5336caf0-30b7-4189-af1e-2452bfcb5b85).html

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