Erschwernis und Erleichterung

01.07.2022

Erschwernis und Erleichterung

Ich beginne heute gleich mit einem Teil des 286. Verses der Sure „al-Baqara – Die Kuh“: „Allah bürdet keiner Seele mehr auf, als sie zu leisten vermag.“
Diese paar Worte klingen in meinen Ohren wie ein Vermächtnis Gottes, ein Schlusswort, in dem annähernd alles Vorhergesagte einfließt. Es setzt dem Ganzen die Krone auf und umspannt den ganzen Koran, beginnend mit der 94. Sure „Asch-Scharh – Das Weiten“, die in die Frühperiode in Mekka eingestuft wird.
„Haben Wir dir nicht deine Brust geweitet und dir deine Last abgenommen, die schwer auf deinen Rücken lastete, und deinen Namen erhöht? Und, wahrlich, mit der Drangsal geht Erleichterung einher; wahrlich, mit der Drangsal geht Erleichterung einher.“ Und endet mit dem letzten Vers der Sure Al-Baqara: „Allah fordert von keiner Seele etwas über da hinaus, was sie zu leisten vermag. Ihr wird zuteil, was sie erworben hat, und über sie kommt, was sie sich zuschulden kommen lässt.“ Und Gott gibt uns gleich darauf Hilfestellung, indem Er uns ein Bittgebet vorgibt: â€žUnser Herr, mache uns nicht zum Vorwurf, wenn wir (etwas) vergessen oder Fehler begehen. Unser Herr, und erleg uns keine Bürde auf, so wie Du sie jenen auferlegt hast, die vor uns waren. Unser Herr, und lade uns nichts auf, wofür wir keine Kraft haben. Und verzeihe uns und vergib uns, und erbarme Dich unser. Du bist unser Beschützer. So hilf uns gegen das Volk der Verleugner.” Wir bitten hier um Seine Barmherzigkeit, die Er sich selbst auf Seine Fahne geschrieben hat. Es ist die Bitte um Vergebung und des Verzeihens, sollten wir Fehler gemacht oder Ihn mal vergessen haben, insbesondere am Ende unseres Lebens.
Das Verb kasaba bedeutet so viel wie erwerben und iktasaba sich zuschulden kommen lassen. Die tiefere Bedeutung könnte meines Erachtens sein: eine größere Anstrengung im Tätigsein zum Guten, was für mich eine schlechte Tat einschließt, die man zutiefst bereut und die Gott in Seinem Urteil vergeben könnte.
Gott gibt uns ja durch den Koran keine Befehle, sondern Aufforderungen oder Wünsche von Ihm. Nur die orthodoxen Gelehrten haben daraus Regeln über Gut und Böse gemacht. Aber dennoch steht uns frei, um Gnade und Vergebung zu bitten.
Aber kehren wir erst einmal zur 94. Sure zurück: „Haben wir dir nicht deine Brust geweitet … bedeutet das ein tiefes Luftholen, um wieder Mut, Selbstvertrauen und Entschlossenheit zu erlangen? Und dann weiter: dir deine Last abgenommen, die schwer auf deinen Rücken lastete und deinen Namen erhöht? Eigentlich jeder weiß, dass mit Mut und Selbstvertrauen vieles leichter geht. Diese Worte sind in erster Linie an den Propheten Muhammad gerichtet, weitergeleitet gelten sie natürlich auch uns. Muhammad war als al-Amin, der Vertrauenswürdige bekannt. Sein Leumund sollte dadurch in seiner jungen Gemeinde wie auch außerhalb eine Erhöhung seines Ansehens, seiner Autorität und Einfluss erfahren.
„Und, wahrlich, mit der Drangsal geht Erleichterung einher; wahrlich, mit der Drangsal geht Erleichterung einher.“ Ist es nicht so: Nach einem tiefen Luftholen habe ich oft das Gefühl, dass es gleich leichter wird. Und wenn Gott das sogar zweimal betont, dann kann ich gewiss sein, dass Er mir dabei hilft und mein Problem sich auflösen bzw. gedanklich leichter wird, nur vielleicht nicht gleich. Es ging damals einfach darum, einem Vielgläubigen sein Herz für den Glauben an den Einen Gott zu öffnen und zu gewinnen.
Diese Sure, die noch in der ersten Phase der mekkanischen Zeit gesandt wurde, also zu den frühmekkanischen Suren zählt, weist auf einen starken inneren Zusammenhang hin, eine Spannung durch starke Bilder. Schon allein, dass Gott den einen Satz noch einmal wiederholt und seine Stärke dadurch hervorhebt und die Aussage erhöht, betont Er, dass Er dem Menschen in ihrer Not, Beschwernis mit Seiner Barmherzigkeit zur Seite steht und für Erleichterung sorgt. Das heißt für mich, wenn ich ungewollt etwas Dummes mache, und ich fürchten muss, dass ich in Schwierigkeiten kommen könnte, so nimmt mir eventuell Gott die gedankliche Last hinweg, solange ich an Ihn glaube. Gott gibt mir damit Zuversicht, Hoffnung und Entspannung während einer finsteren oder schwierigen Zeit – und macht es mir leichter, das Dumme zu korrigieren. Es ist für mich ein Motiv zur Hoffnung, dass ich nach einer harten Prüfung, die auch ein vielleicht nicht gleich zugängliches Wissen zur Lösung in sich trägt, darüber nachzudenken und daraus Lehren für mein weiteres Leben zu ziehen. Für jeden Einzelnen, der seine persönlichen Probleme meistern möchte, bietet Gott Hilfe und Entlastung an.
Für die Philologin Angelika Neuwirth bedeuten die Worte so: Der Angesprochene (und ich fühle mich ebenso angesprochen) wird von einer nicht genauer bestimmten Last befreit und ihm wird die daraus resultierende Leichtigkeit bewusst gemacht, was ihn sowohl dazu verpflichtet als auch befähigt, neue Anstrengungen, die jetzt jedoch religiös-ethischer Art und nicht durch profane Notlagen bedingt sind, auf sich zu nehmen. – Ich finde, das ist eine respektable Zusammenfassung der 94.Sure.
Wenn es heißt: Gott bürdet keinem Menschen eine Verantwortung auf, die schwerer ist, als er tragen kann, wird Er niemanden zur Rechenschaft am Jüngsten Tag ziehen, für das, was er nicht gemacht hat, weil es für ihn wohl unmöglich war.
Ich für meinen Teil würde das so sagen: Unsere Last wird nicht leichter, aber mit Geduld und Hoffnung auf Gott fühlen wir sie leichter und erträglicher. Es hat mit Glauben und auch mit persönlicher Verantwortung zu tun. Auch wenn man sich manchmal mit einer Sache schwertut, sie vielleicht sogar nicht unbedingt machen müsste, ist es gut, sich zu überwinden. Und wenn ich weiß, dass diese Sache wichtig ist, dann mache ich sie vielleicht sogar mit Freude, also mit Leichtigkeit, weil ich die Wichtigkeit dessen erkenne.
So ist es also auch mit dem 286. Vers der 2. Sure, wenn ich für mich oder meiner Gemeinschaft etwas tue, dann bürdet Er mir nur so viel auf, was ich eben schaffen kann und Er verrechnet es auf meinem Jenseits-Konto.
Die Bürde, das kann etwas Physisches sein, hat aber auch mit unserem Verhalten zu tun. Wie stehe ich zu bestimmten Situationen, wie zum Beispiel zum Krieg in der Ukraine, zu anderen Religionen, wie verhalte ich mich gegenüber meinem Nachbarn. Auch wenn ich dann mal übereifrig bin oder Fehler dabei mache, meine Absicht zählt trotzdem bei Gott und Er wird mir gewiss vergeben. Nicht zu vergessen: das Leichter machen, das sind Gottes Worte, die Er sich auf Seiner Fahne geschrieben hat.
Gott will mit Seinen Worten uns mitteilen, dass Er somit für den Menschen ein gutes Gleichmaß zwischen Belastung und Erträglichkeit im physischen, wie im ethischen Sinn, ohne Belastung und Mühsal schafft. Es kommt nur auf die richtigen oder falschen Handlungen des Menschen an.
Manaar

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