Abraham – Stammvater im Glauben der drei monotheistischen

14.10.2022

Abraham – Stammvater im Glauben der drei monotheistischen

Der Stamm der Quraish, in dem Muhammad aufgewachsen war, einer der führendsten in Nordarabien, führte seine Abstammung auf Abrahams Sohn Ismael zurück. Darüber berichtet Ibn Ishaq, der erste Biograf Muhammads ungefähr 150 Jahre später. Sie hatten auch das Hoheitsrecht über das wichtigste altarabische Heiligtum, die Kaaba. Verschiedene Quellen besagen, dass die Araber von Ismael und Hagar abstammen sollen, z.B.  überlieferte ein christlicher Historiker namens Sozomen aus dem 5. Jh. unserer Zeit, dass die Araber im Nordwesten mit der Idee der abrahamischen Monotheisten vertraut waren. Es soll auch eine Liste mit Namen von Männern geben, die sich Hanife nannten, die den damaligen Glauben an mehrere Götter ablehnten und sich ‚Gottergebende‘ nannten. Sie verweigerten sich der Vielgötterei. Man bezeichnete sie als Hanife, Gottsuchende, Gottergebene. Auch Muhammad sollte zu ihnen gehören, einer von ihnen sein.     

     Auf seinen Reisen kam er mit den jüdischen und christlichen Religionen in Berührung und konnte so später als Prophet an diese Traditionen wie auch an die Ãœberlieferungen über Abraham anknüpfen und sich mit den Ideen der Hanifen verbinden. Das Gedankengut der Hanifen sollte für die neue Religion maßgeblich werden.

     Im Koran bedeutet ‚Hanif‘ ein Monotheist. Wer waren nun diese Hanifen? Sie waren vorislamische Monotheisten auf der Arabischen Halbinsel, sie folgten also der Religion Abrahams. In der 3.Sure „Al-`Imran Vers 67 heißt es: „Abraham war weder Jude noch Christ. Er war vielmehr ein (Gott) ergebener HanÄ«f und kein Heide.“ 

     Ihr Glaube war nur auf Gott ausgerichtet. Sie waren demnach Suchende im Glauben an den einzigen Gott unter Rückblick auf den Gott Abrahams, im Islam Ibrahim genannt. Im Koran ist Abraham Sinnbild für den Eingottglauben, er ist der Streiter gegen das Anbeten von Götzen und eigentlich der erste Muslim. So lautet auch unser Glaubensbekenntnis, die Schahada: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Gott (also der Gott von Abraham). Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist.“ 

    Die wenigen Hanifen zogen sich oft in einsame Gegenden für ihre Meditationen zurück, um über Gott nachzudenken, wie auch Muhammad in der Höhle Hira` auf dem Berg Jabal an-Nour. 

    Die Vorstellung der Hanifiya war also schon vor Muhammad verbreitet und viele Elemente ihres Gedankenguts gehören heute zur Praxis der Muslime z. B. der Lauf um die Kaaba als den Ort Ibrahims und Ismails. Schon vor dem Islam galt die Umrundung der Kaaba als Reinigung von Sünden wie auch die Wallfahrtsrituale, das Pilgern zu anderen heiligen Orten. Auch damals herrschte zu dieser Zeit Frieden zwischen verfeindeten Stämmen, die Pilger befanden sich in einem Weihezustand. Selbst das Tragen eines Weihetuchs wurde übernommen. Wie heute schnitt man sich zum Abschluss der Wallfahrt das Haar und opferte Tiere. 

   Wie befremdlich muss das gewesen sein, als zur Verblüffung seiner Landsleute, Muhammad auf einmal die finanziell sehr einträgliche religiöse Wallfahrts- und Kultpraxis rund um die Kaaba anprangerte.

       Muhammad kannte dementsprechend den Gott Abrahams, der den Mekkanern als Behüter der Kaaba, Allah, vertraut war und er erkannte in ihn den Gott der Christen und Juden mit ihren Offenbarungsgeschichten. Schon die ersten kurzen Suren lassen die Konzentration eines neuen Glaubens auf den Monotheismus erkennen, beginnend mit den allerersten Worten: „Trage vor im Namen deines Herrn, der erschaffen hat, den Menschen aus einem Embryo erschaffen hat! Trag vor! Dein Herr ist edelmütig wie niemand auf der Welt!“ Gott stellt sich also vor als ein liebenswerter, edler und kein boshafter Gott.

     Sein Ziel war, den Arabern in ihrer Sprache Gottes ewige Botschaft neu zu vermitteln als ihr Prophet, durch einen arabischen Koran. Die ersten Verse der 43. Sure „Az-Zuhruf – Der Prunk“ sagen das aus:“ Bei dem deutlichen Buch! Wahrlich, Wir haben ihn zu einem Koran in arabischer Sprache gemacht, auf dass ihr ihn verstehen möget. Und wahrlich, er ist bei Uns in der Urschrift erhalten und voller Weisheit. Sollen Wir da die Ermahnung von euch abwenden, weil ihr ein zügelloses Volk seid?“ Es ist eine Ansprache an die Mekkaner, die die neue Offenbarung schmähten und nun die Gelegenheit bekommen würden, ihre Ehre und Ansehen zu vergrößern, die sie aber leider ablehnten und sich eines Tages dafür verantworten müssten.  

      Zunächst halten sie ihn für verrückt und besessen, als er sich als Warner und Ãœberbringer von Mahnungen des einen einzigen Gott, dem Beschützer der Kaaba erklärte. Hier finden wir schon die erste Gemeinsamkeit mit Abraham, beide wenden sich vom Vielgottglauben ab mit dem gleichen Ergebnis: Spott, Ablehnung und Ächtung bis hin zur Vertreibung und Auswanderung.

    Karl-Josef Kuschel meint in seinem Buch „Streit um Abraham“: ‚Für die Zeit seines prophetischen Kampfes in Mekka ist auffällig, dass die Abraham-Figur für den Propheten als Identifikationsfigur wichtig ist, der aus eigenem Antrieb den Polytheismus überwand und Gott mit Hilfe der eigenen Vernunft als den Schöpfer von Himmel und Erde erkannte und gegen den Polytheismus antrat.‘

     So nahm sich Muhammad die bekannte Abraham- Vorstellung als seinen roten Leitfaden. Dazu die 29.Sure“ Al-Ànkabut-Die Spinne“ Vers 16-17: „Auch Abraham sagte zu seinem Volk: ‚Dient Allah und fürchtet Ihn. Das ist besser für euch, wenn ihr nur wüsstet. Ihr dient nur Götzen statt Allah, und ihr ersinnt nur eine Lüge. Jenen, die ihr statt Allah dient, vermögen euch nicht zu versorgen. Sucht darum bei Allah die Versorgung und dient Ihm und seid Ihm dankbar. Zu Ihm werdet ihr zurückgebracht werden.“

     Für die polytheistischen Araber war das etwas Neues: Die Versorgung liegt bei Allah und nicht bei den Götzen. Damit stieß Muhammad die angebeteten Götzen von ihren Thronen wie Abraham. Und noch etwas ganz Neues: Sie werden wieder zu Gott zurückgebracht werden, es gibt also ein Diesseits und ein Jenseits. Ihnen machte vor allem Angst, eine Verantwortung zu haben und eine eventuelle Bestrafung! 

    So wie Abraham der ‚Gott Vertrauende‘ war, so unterwarf sich auch Muhammad unter Gottes Allmacht der Erschaffung und Auferstehung wie auch der Nachkommenschaft. Die Nachkommenschaft war bei den Juden das Wachsen der 12 Stämme und bei Muhammad sicherlich die Nachkommenschaft von Ismail, die Araber. 

   Bei Abraham war es der Besuch der Engel, die eine Bestrafung für Lots Volk ankündigten. Und im Koran wird ausdrücklich Mohammad als den Warner vor einem göttlichen Strafgericht bestätigt. In der 13.Sure „Ar-Rad-Der Donner“ Vers 7 spricht Gott Muhammad an: „Diejenigen, die ungläubig sind, sagen: ‚Wenn doch ein Zeichen von seinem Herrn auf ihn herabgesandt würde!‘ Du bist aber nur ein Ãœberbringer von Warnungen. Und jedes Volk hat einen, der es rechtleitet.“ 

    Zum Ende der mekkanischen Zeit stand mit den Worten von Kuschel fest: Im Verhältnis Muhammad zu den Juden hat sich eine neue Sachlage herausgebildet: ‚Die Juden und ihre Geschichte sind Kronzeugen für die Sache des Propheten, aber Richtschnur und Kriterium ist dennoch die Offenbarung des Koran.‘ 

    In Yathrib war die Situation anders: die Bevölkerung gliederte sich in 3 jüdische Stämme und 2 nichtjüdische Stämme auf. Es gab also keine politische Einheit, Spannungen waren so vorprogrammiert. 

    Während der ersten Zeit lehnte Muhammad sich mit seiner Gemeinde noch an die religiösen Praktiken der Juden an, z.B. die Gebetsrichtung nach Jerusalem oder beim Fasten, dennoch, das erwartete Anerkennen in seiner Rolle als Prophet blieb aus, auch die Hilfe gegen Mekka. 

     Er reagierte nun, indem er den Juden vorwarf, dass sie ihre Schrift verändert haben und die Hinweise auf Muhammads Erscheinen ignoriert hatten. So heißt es in der 5. Sure Vers 15: „O Leute der Schrift! Unser Gesandter ist nunmehr zu euch gekommen, um euch zu enthüllen, was ihr von der Schrift geheim gehalten habt…“  Seine Entscheidung war deshalb eine Gebetsrichtungsänderung für seine Gemeinde Richtung Mekka und ein monatliches Fasten. 

    Er muss nunmehr keine Rücksicht auf die jüdischen Stämme nehmen. Seine Gemeinde erstarkt und schließlich nehmen sie im Jahr 628 ohne Widerstand Mekka ein. Bis zu seinem Tod im Jahr 632 hat nun in ganz Arabien Muhammads Herrschaft Einzug gehalten und die neue islamische Religion ist vorherrschend.

   Muhammad lernt   besonders während der Zeit in Medina, dass es den ‚Islam‘ als den Glauben an den Einen Gott schon von Anfang an gab, Abrahams Glaube als das Urbild des Islam. 

   Schon der Jude Paulus stellte fest, dass Abraham der ‚Vater der Gläubigen‘ sei, d.h. nicht der leiblichen Nachkommen, sondern der Vater aller Gläubigen, denn er soll ja das Vorbild der Menschen sein und nun wird Muhammad selbst zur Leitfigur eines von Verzerrungen, Verfälschungen und Streitereien der beiden vorangegangenen Religionen befreiten neuen Islams. So formt sich in Medina aus einem prophetischen Neuanfang im Erfassen einer gesetzlichen Regelung eine neue Religion. Die 2. Sure „Al-Baqara- Die Kuh“ Vers135 bestätigt das: „Und sie sagen: ‚Ihr müsst Juden oder Christen sein, dann seid ihr rechtgeleitet.‘ Sag: Nein! (Für uns gibt es nur die Religion Abrahams, eines Hanifen – er war kein Heide.“ 

    Dennoch, so wie die beiden vorangegangenen Religionen Abraham als ihr Eigentum in Anspruch genommen haben, so ist das auch im Islam nun erkennbar. Kuschel stellt das so fest: Der Nichtjude und ohne Tora lebende Abraham wird zu einer exklusiven jüdischen Gestalt, der Nichtjude und Nichtchrist Abraham wird zu einer exklusiven christlichen Gestalt, mit deren Hilfe man Juden jetzt den Status des Bundes- und Gottesvolkes entzieht, mit der Ãœberzeugung, dass es christlichen Glauben schon vor Christus gegeben hat. Im Islam kommt es nach der anfänglichen Betonung der gemeinsamen ‚Religion Abrahams‘ der Juden, Christen und Muslimen in der medinensischen Phase von Muhammads Prophetie zu einer immer stärkeren Muslimisierung Abrahams als einen vorbildlichen Muslim, mit der Ãœberzeugung, dass es den Islam schon vor Muhammad gegeben hat.  

    Dadurch bekommt Abraham in allen drei Religionen jeweils eine andere Funktion zugewiesen: Er wird zum Stammvater des von Gott erwählten Volkes im Judentum; im Christentum wird er zum Modell und Vorbild des Glaubens und im Islam wird er zum Gründer des Monotheismus. 

    Bleiben wir noch bei den Letztgenannten. In der 26. Sure „Asch-Schu‘ara- Die Dichter“ Verse 75-80 fragt Abraham: „Er sagte: ‚Seht ihr denn nicht, was ihr da angebetet habt, ihr und eure Vorväter? Sie sind mir feindlich gesonnen, nicht aber der Herr der Welten, Der mich erschaffen hat; und Er ist es, der mich richtig führt und der mir Speise und Trank gibt. Und wenn ich krank bin, ist Er es, Der mich heilt.‘“ Abraham und auch später Muhammad stellten damit klar, dass sie Gott nicht nur als den einzigen Gott anerkennen, nein, dieser Gott beschützt sie, gibt ihnen Nahrung, Er ist somit rundum um sie besorgt. Also bedarf es keine anderen Götter, dementsprechend wie Abraham zerstört auch Muhammad die Götterwelt in der Kaaba, das Haus des Einen Gottes, dem man sich im Vertrauen zuwendet, denn dieser Gott hatte schon einmal Abraham aus dem Feuer gerettet und später Muhammad und seine Getreuen aus Medina im Kampf gegen die Mekkaner beigestanden. Aber vor allem ist Muhammad der ‚Warner‘, der vor ein Strafgericht Gottes warnt, so wie die Engel Abraham über die Strafe für das Volk von Lot berichten. So identifiziert sich nun Muhammad mit Abraham. 

   Jahrhundertelang stellten die islamischen Theologen den Islam als die eine wahre Auslegung des abrahamischen Monotheismus dar. Doch im Koran wird zwar das Fehlverhalten der Juden und Christen angekreidet, aber nie die Gültigkeit ihrer Offenbarungen. Es werden die Menschen angeklagt, die die Regeln ihrer Religionen missachten. 

   Auch wenn es immer noch eine große Gruppe von Muslimen gibt, die sich gern über alle anderen erhaben sehen würden, könnten wir heute die Diskussionsfreudigkeit Gottes durch den Koran mit vielen Menschen hervorheben, so auch mit Juden und Christen. Was stünde da im Wege, wenn es alle Menschen ebenso täten und nicht übereinander herfallen? Uns verbindet doch eine Grundidee, die sich durch die Jahrtausende hindurch zog und doch Gottes Willen entsprach. Das heißt: jede Religionen hat von Gott ihren eigenen Weg zugeschrieben bekommen, sie mussten sich immer ihrer Zeit gemäß beweisen. Und immer hat Gott sie angehalten, um das Gute zu wetteifern. Kann da nicht die Symbolfigur Abraham über die Religionen hinweg helfen?  Und sollten wir nicht gemeinsam einen Weg finden für Diskussionen und Solidarität, Partnerschaft und Gemeinschaft? Wir beten den gleichen Gott an, fast mit den gleichen Worten, können wir da nicht zusammenbeten, eine Einheit sein unter Gottes Willen?  

Und wenn nicht Abraham, dann vielleicht einfach nur Gottes Monotheismus?

Und noch ein Gedanke: Die Grundlagen und Bedingungen für einen Islam wurden in der Zeit der Unwissenheit, der Dschahiliya gelegt. Ich denke, so unwissend war diese Zeit demnach überhaupt nicht. 

Manaar

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